Sich an den Haaren aus dem Sumpf ziehen

■ Der ehemalige schleswig-holsteinische FDP-Chef zur Wahl

taz: Ist die FDP am Ende?

Wolfgang Kubicki: Es ist gegenwärtig nicht erkennbar, aus welchem Grund dieser Trend, der ja bundesweit zu verzeichnen ist, sich umkehren sollte. Dadurch besteht eine unglaubliche Gefahr, daß auch die politische Mitwirkungsmöglichkeit der FDP auf Bundesebene nach dem 16. Oktober nicht mehr gegeben sein könnte.

Kinkel, Lambsdorff und Schwaetzer geben kein Profil?

Man kann das nicht ausschließlich an Personen festmachen, insbesondere nicht an der von Klaus Kinkel. Wir haben alle gewußt, als wir ihn gewählt haben, wen wir wählen. Und die Aufgabenstellung wäre eigentlich gewesen, den politischen Fächer der Meinungsbildung innerhalb der FDP aufzumachen, statt ihn auf eine Person zu verengen.

Hat Kinkel sich zu schnell auf die CDU als Koalitionspartner festgelegt?

Nicht mal das glaube ich. Mein Empfinden ist es, daß das, was die FDP beschließt und was sie erklärt und was sie auch vermeintlich und tatsächlich durchsetzen will, nicht aus wirklicher innerer Überzeugung geschieht, sondern nur noch unter Marketinggesichtspunkten, nur noch Werbekampagnengesichtspunkten. Es ist geradezu selbstmörderisch, jetzt davon zu reden, daß man das Werbekonzept verändern will, daß man mit dem Koalitionspartner jetzt Konflikte anzetteln will, nur um sich besser zu profilieren. Denn das würde ja wieder die Botschaft in sich tragen, das, was wir jetzt machen, machen wir eigentlich nicht, weil wir davon überzeugt sind, sondern machen wir, weil wir die Werbekampagne ändern möchten.

Dann ist die FDP zum Untergang verdammt?

Das glaube ich nicht. Mein Appell geht an die Mitglieder, nicht nur darauf zu warten, daß vermeintlich irgendwo irgend jemand Profil zeigt, sondern es zu tun.

Selbst Lambsdorff spricht von einer existentiellen Krise.

Richtig, und das belegt für mich, wie weit wir eigentlich „gesunken“ sind. Nicht nur bei den Wählern, sondern auch bei uns selbst. Ich rufe meine Parteifreunde überall auf, nicht darauf zu warten, daß andere irgendwo was machen, sondern es selbst zu machen.

Soll sich die FDP selbst aus dem Sumpf ziehen?

Es mag zwar ein bißchen sich anhören wie Münchhausen, aber die Partei ist in ihrem Körper intakt, jetzt müssen wir dem Kopf nur wieder ein bißchen Mut geben und nicht mehr diese Verzagtheit, die sich ja bei jedem Fernsehauftritt mitteilt.

Bis zur Bundestagswahl ist nicht mehr allzu lange Zeit ...

... drei Monate. Drei Monate ist ein halbes Leben, würde ich mal sagen. Am Anfang des Jahres hätte keiner einen Pfifferling für Helmut Kohl gegeben, ich sagte drei Monate, und die CDU stand blendend da.

... ob das noch stimmt für eine Partei mit einer derartigen Halbwertzeit wie die FDP?

Das einzige, was ich jetzt sagen kann, ist, daß jeder, der eine Mitleidskampagne im Kopf hat, und meint, die Wähler sollten uns deswegen aus Mitleid wählen und Helmut Kohl sollte uns über die Hürden helfen, der hat sich als politische Kraft verabschiedet. Ich will kein Mitleid. Ich will nicht getragen werden, sondern selber springen.

Sie lehnen eine Zweitstimmenkampagne von der CDU ab?

Warum sollte die CDU das tun?

... hat sie doch früher auch gemacht.

Aber es war früher eine völlig andere Situation. Wir stehen vor der Situation, daß die PDS in den Deutschen Bundestag kommt, und damit völlig neuen Konstellationen. Warum sollte eine Union, die im Kopf haben muß, daß auch in Bonn der Zwang zu einer Großen Koalition da sein würde, dem kleineren Partner, mit dem sie zusammen ja auch nicht mehr Stimmen holt, Stimmen abgeben? Ich glaube, eine Zweitstimmenkampagne der Union zugunsten der FDP würde uns den Rest geben. Interview: Dieter Rulff