Markt mit Herz

■ Die Ausstellung „Abenteuer Ehe“ im Frankfurter Bürgerhaus Bornheim macht deutlich, daß Heiratsmigration viele Facetten hat

Für eine philippinische Universitätsabsolventin, die einem sich vertrauenswürdig gebenden Konrad nach Deutschland folgte, endete das Ehe-Experiment dramatisch: „Es stellte sich heraus, daß ich seine sechste philippinische Ehefrau war. Er hatte alle geheiratet und nach kurzer Zeit abgesetzt. Er hat uns auch alle in der Wohnung eingeschlossen, während er zur Arbeit ging.“

Nachdem die Frau nach nur einmonatiger Ehe von Konrad zu einem Verwandten abgeschoben wurde, hat sie mit einer Kontaktanzeige mehr Glück. Sie findet einen neuen Mann, ebenfalls einen Deutschen, der sich auf das „Abenteuer Ehe“ nicht nur zum Schein einläßt. Mittlerweile ist das Paar seit fünf Jahren glücklich verheiratet. Zu zeigen, daß es mehrere Seiten der Heiratsmigration von Frauen gibt, daß das Spektrum von rücksichtsloser Ausbeutung bis zu romantischer Liebe reicht und die unterschiedlichsten Zwischentöne und Spielarten existieren können, das ist das Hauptanliegen der Ausstellung „Abenteuer Ehe“ in Frankfurt.

Rechte wie Linke zerreißen sich das Maul über den Nachbarn mit der thailändischen Angetrauten und erliegen dabei oft sehr voreilig dem Klischee von der gekauften Frau. Je nach Weltanschauung wird sie entweder verurteilt oder bemitleidet. Daß es sich bei diesen Frauen häufig um selbständige, intelligente, zum Teil hochqualifizierte Personen handelt, wird dabei in der Regel übersehen. Die Ausstellung macht deutlich, daß es für viele Frauen aus der Dritten Welt eine sehr rationale und durchdachte Entscheidung ist, sich auf die Ehe mit einem Deutschen einzulassen. „Ich hatte eine Ausbildung als kaufmännische Angestellte, ich fand nur eine Stelle als Zimmermädchen“, erzählt eine junge Philippinin in einem Video, das Teil der Ausstellung ist: „Da habe ich ihn geheiratet. Am Anfang habe ich ihn noch nicht so geliebt. Nur ein bißchen.“

Die Empörung über derlei Materialismus speist sich, so zeigt das Gegenüberstellen von Kontaktanzeigen aus deutschen Zeitungen, aus einer Verdrängung des wirtschaftlichen Aspekts in der „normalen, deutsch-deutschen Ehe“. In Heirats- und Bekanntschaftsanzeigen von Zeit bis Frankfurter Rundschau wird unverblümt Vermögen, akademischer Abschluß, Häuschen auf dem Land angeboten oder gefordert. Wenn dem „erfolgreichen Unternehmer mit eigener Yacht“ die Finanzlage seiner künftigen Ehefrau egal ist, dann soll sie wenigstens „schlank, sehr hübsch, kultiviert und feminin“ sein. Über diesem ganzen Marktgeschehen schwebt aber dennoch ein romantischer Pfeil-und-Bogen- Gott, die Vorstellung von der „großen Liebe“. Daß eine deutsche Frau, wenn sie sich zu einem „gutsituierten Manager“ hingezogen fühlt, finanzielle Interessen im Hinterkopf haben könnte, wird übersehen. Die, die ihren Körper, ihr Leben, gegen Geld verkaufen, so will es die von beunruhigenden Gedanken gereinigte deutsche Vorstellungskraft, sind nur die Frauen aus Südostasien und Afrika. Heiratsmigration von Frauen hat es schon immer gegeben. Sieben Wände mit „Fallbeispielen“ zeigen, daß Frauen aus allen Epochen, Schichten, Kontinenten „aus Liebe, aus Abenteuerlust, dem Bedürfnis nach ökonomischer Sicherheit und individuellen Mischungen daraus“ (Ausstellungstext) ihren Männern in deren Heimatländer gefolgt sind. Ein Phänomen des 19. Jahrhunderts waren die „Fotobräute“, die ausgewanderte Männer anhand von Fotos auswählten und nach Amerika oder Australien nachkommen ließen. In diesem Jahrhundert nutzten zahlreiche deutsche „Fräuleins“, aber auch Frauen anderer Nationalitäten, die Gelegenheit, an der Seite eines GIs zur Amerikanerin zu werden. Wenn sie auch gegen Vorurteile kämpfen mußten („Gibt es in Deutschland auch befestigte Gehwege?“), so fanden sich die „Fräuleins“ doch eher akzeptiert, als Frauen, die nicht aus dem westlichen Kulturkreis stammten.

Auch in Deutschland haben vor allem die Frauen aus der Dritten Welt mit dem alltäglichen Rassismus zu kämpfen. „Wenn ich einkaufen gehe, und etwas falsch mache, dann denken sie, ich bin dumm“, wird eine Thailänderin zitiert. Eine Afrikanerin wundert sich: „Wenn Europäer zu uns kommen, werden sie nicht so behandelt.“ Für die Frauen ist es eigenartig, plötzlich als „Exotin“ wahrgenommen zu werden: „Ich war über meine eigene Exotik schockiert, als ich hierherkam.“ Die Männer hoffen, bei ihnen die bedingungslose Hingabe einer „Madame Butterfly“ oder „Miss Saigon“ zu finden. Die Frauen sind von diesen eurozentrischen Projektionen überrascht und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen.

Die Frankfurter Ausstellung „Abenteuer Ehe“ schafft es, über die Vielfalt der dargestellten Schicksale und Beobachtungen, das Klischee vom Frauenkauf aufzubrechen, die Palette der Motivationen zu zeigen und auch die deutsch-deutsche Ehe zu beleuchten.

Es geht den Veranstalterinnen aber nicht darum, sich in Relativierungen zu ergehen, sondern an die gewonnenen Erkenntnisse konkrete politische Forderungen zu knüpfen. Ein Flugblatt ruft zur Kampagne gegen den Paragraphen 19 des Ausländergesetzes auf, der ein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht an vier Jahre ehelicher Gemeinschaft (auf deutschem Staatsgebiet) bindet. Dies führt dazu, daß viele Frauen jahrelang in ihnen unerträglichen Lebenssituationen ausharren müssen. Die angestrebte Alternative: ein eigenständiges Aufenthaltsrecht mit der Eheschließung. Miriam Carbe

Die Ausstellung „Abenteuer Ehe“ ist noch bis zum 30. Juni 1994 täglich von 10 bis 22 Uhr im Bürgerhaus Bornheim in Frankfurt zu sehen