■ Neues lettisches Staatsbürgerschaftsgesetz grenzt aus
: Wer ist lettisch?

Das neue lettische Staatsbürgerschaftsgesetz ruft bei all denen, die sich für die Unabhängigkeit und die demokratische Entwicklung Lettlands eingesetzt haben, eine tiefe Enttäuschung hervor. Das Gesetz bedeutet für rund 500.000, meist russischstämmige Einwohner und Einwohnerinnen Lettlands, daß sie praktisch keine Chance haben, die lettische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Da sie nach Rußland weder zurückgehen wollen noch können, werden sie durch das neue Gesetz in ein Niemandsland verwiesen – ohne Staatsbürgerschaft, ohne Paß, faktisch jeder rechtsstaatlichen Garantie beraubt.

Das lettische Parlament schlägt mit der Verabschiedung dieses Gesetzes einen gefährlichen Irrweg ein. Nicht Demokratie, Toleranz und Integration sind seine Leitlinien, sondern ethnische Arroganz und inhumane Ausgrenzung. Auf einer von der Heinrich- Böll-Stiftung und dem Baltisch-Christlichen Studentenbund vor einigen Wochen in Riga veranstalteten Konferenz sagte der jüdische Historiker Vestermanis sinngemäß: Die Tatsache, daß eine Nationalität gegenüber einer anderen bevorzugt wird, daß man Vorteile nur aufgrund der Zugehörigkeit zur privilegierten Nationalität erwirbt, verderbe schließlich den Charakter der privilegierten Nationalität. Dies haben wir in Deutschland erlebt, und wir werden es auch in Lettland erleben.

Das neue Gesetz ist nicht nur moralisch zu verurteilen, seine Verabschiedung ist auch politisch unklug. Damit kann Lettland weder auf die Zustimmung der internationalen Öffentlichkeit noch auf die Mitgliedschaft im Europarat hoffen.

Bündnis 90/Die Grünen haben in der letzten Woche versucht, durch verschiedene Initiativen die Behandlung dieses Themas im Bundestag zu ermöglichen, was von den anderen Fraktionen abgelehnt wurde. Die alte Formel von der „Nichteinmischung in innere Angelegenheiten“ scheint immer noch das Handeln der parlamentarischen Mehrheit in Deutschland zu prägen. Oder fürchten die Parteien, die eine inhumane Asylgesetzgebung blockieren, daß eine deutliche Kritik an der Entscheidung des lettischen Parlaments auf sie selbst zurückfällt?

Wer ein wirklich demokratisches und unabhängiges Lettland unterstützt, sollte mit uns den lettischen Staatspräsidenten Ulmanis auffordern, das neue Gesetz nicht zu unterzeichnen. Gerd Poppe

Für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag