CDU goes pink

■ Der CDU-Jungpolitiker Mirko Adam macht schwul-lesbische Kommunalpolitik in Friedrichshain

Lesben- und Schwulenpolitik ist in Berlin mitnichten allein Sache von Bündnis 90/Die Grünen, PDS und – gelegentlich – SPD. Im Bezirk Friedrichshain hat sich ausgerechnet die Familienpartei CDU dem homosexuellen Emanzipationskampf angenommen und ihn mit wehenden Fahnen in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) getragen: Seit Dezember vergangenen Jahres arbeitet dort ein „Unterausschuß Lesben- und Schwulenpolitik“.

Auf persönlichen Wunsch des Bundeskanzlers wurde der Friedrichshainer „Homo-Ausschuß“, wie er im Rathaus am Bersarinplatz kurz genannt wird, natürlich nicht gegründet. Er geht auf das Konto des CDU-Politikers Mirko Adam, eines kleinen, braven Burschen mit ordentlichem Scheitel, dem man „so etwas“ auf den ersten Blick gar nicht zutrauen würde. Doch der 28jährige frühere Leiter des oppositionellen Homo-Kirchenkreises „café binokel“ machte schon vor der Wende aus seinem Schwulsein kein Geheimnis, noch lange also bevor in den Medien über die Gründung einer „Schwulen Union“ spekuliert wurde. „Franz Josef Strauß, der lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder sein wollte, hätte heute in der Union nichts mehr zu melden“, meint Mirko Adam. Er begründet dies mit dem Einfluß der toleranteren Ost-CDU, der er schon vor der Wende angehörte.

Sechsmal kam der Unterausschuß, der formal zum Gleichstellungsausschuß gehört, bereits unter Mirko Adams Leitung zusammen. „Der Ausschuß ist nur ein Kompromiß“, gibt der CDU- Jungpolitiker zu, ursprünglich hatte er nach dem Vorbild des gleichgeschlechtlichen Senatsreferats einen hauptamtlichen Homo- Beauftragten im Bezirksamt gefordert – aber dafür war kein Geld vorhanden. Dennoch haben sich die Ausschußmitglieder, die sich aus VertreterInnen der BVV- Fraktionen, Frauen- und Homo- Gruppen zusammensetzen, viel vorgenommen. Der Homo-Ausschuß reizt seine geringen Kompetenzen aus: Erstes Projekt ist ein Faltblatt für Friedrichshains Lesben und Schwule, in dem Szenetreffpunkte aufgelistet werden sollen.

„Außerdem laden wir nacheinander alle Stadträte ein, um sie zu sensibilisieren“, sagt Mirko Adam. Den Auftakt machte Anfang Juni der christdemokratische Jugendstadtrat Frank Wilde. Ihm konnte das Versprechen abgeluchst werden, einen Jugendklub für ein lesbisch-schwules Café zur Verfügung zu stellen. Außerdem verprach Wilde, sich für ein Homo- Pärchen einzusetzen, das ein Kind adoptieren will.

Beschwerden aus der Berliner oder gar Bonner CDU-Zentrale habe es über die „Friedrichshainer Umtriebe“ bislang nicht gegeben, sagt Parlamentsvorsteher und Adams CDU-Fraktionskollege Uwe Nübel. „Wir müssen für alle Menschen offen sein“, kann er sich mit dem Engagement des schwulen Jungpolitikers anfreunden, schränkt jedoch gleichzeitig ein: „Natürlich passen wir auf, daß dieses Thema nicht überhandnimmt.“ Damit scheint Mirko Adams Spielraum recht groß zu sein, sonst ist nämlich in Friedrichshain von der „Splitterpartei“ CDU (Europawahlergebnis in Friedrichshain: 13,1 Prozent) kaum etwas zu vernehmen.

Vom Profil eines Vollblutpolitikers ist Mirko Adam dennoch weit entfernt. Wenn er nicht im Rathaus wirbelt, sitzt er im eigenen Buch- und Papiergeschäft in der Jungstraße. Vor gut einem Jahr hat er sich den Traum vom eigenen Laden im Kiez erfüllt, mit dem er sein schwules Engagement fortführt. Während im vorderen Verkaufsbereich von „Adams Laden“ das übliche Sortiment an Geschenkpapier, Glückwunschkarten und Schreibblöcken verkauft wird, gibt's hinten eine stattliche Auswahl an einschlägiger Literatur. Selbst schwule Pornos sind im Angebot. Daß sich im Kiez niemand daran stößt, führt Mirko Adam darauf zurück, daß er sich als Minderheit „nicht einigelt“: „Auch der Hetero bekommt bei mir alles, was er braucht.“

Wen wundert's, daß sich in „Adams Laden“ allmonatlich auch der Homo-Ausschuß trifft, an jedem ersten Mittwoch um 19.30 Uhr. Die Resonanz auf das in Deutschland einzigartige Gremium ist allerdings gespalten. Während Lesben und Schwule aus dem Kiez nach wie vor neugierig und tatendurstig zu den (öffentlichen) Sitzungen strömen, hat sich ausgerechnet von den Fraktionen Bündnis Friedrichshain und PDS bislang niemand blicken lassen. Micha Schulze