„Einblick“ vor Gericht

■ Macher der Fahndungsliste angeklagt

Darmstadt/Berlin (taz) – Sie beobachteten mißliebige Zeitgenossen, notierten Autokennzeichen, schrieben Adressen auf und versandten eine 40seitige Fahndungsliste. „Einblick“ nannten sie das Kompendium, das zu Angriffen gegen „Professoren, Richter und Anwälte“ aufrief. Demnächt stehen die mutmaßlichen Urheber vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt erhob gestern gegen vier Männer und eine Frau Anklage wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, Beleidigung und versuchter Nötigung. Der Prozeß muß vor August eröffnet werden, ansonsten droht die presserechtliche Verjährung.

Als Verfasser der Liste gelten Norman W. aus Wiesbaden und Stephan C. aus Mainz. Sie sind 26 und 22 Jahre alt. Stephan C. gehört zum Kreis derjenigen, die das Mainzer „Nationale Infotelefon“ betrieben haben. Wegen Beihilfe muß sich ein 63jähriger Drucker aus Wiesbaden verantworten. Ihm wird vorgeworfen, 500 Exemplare der Liste angefertigt zu haben. Die 19jährige Karin M. steht im Verdacht, den Vertrieb organisiert zu haben. Sie war bislang noch nicht aufgefallen. Die Behörden kennen ihren Ehemann, ein rechter Skinhead mit FAP-Vergangenheit.

Gegen vier andere Verdächtige wurden die Ermittlungen aus Mangel an Beweisen eingestellt. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft wurden etwa 500 Exemplare des „Einblicks“ gedruckt, 300 wurden sichergestellt. Die anderen 200 Exemplare waren über ein dänisches Postfach vertrieben worden. Über diese Versandadresse seien die Ermittler an die Gruppe herangekommen. Gegen die Angeklagten hatte zunächst der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts einer kriminellen Vereinigung ermittelt, die Untersuchungen aber im Frühjahr an die Staatsanwaltschaft in Darmstadt abgegeben. Von den im „Einblick“ genannten Personen und Organisationen gingen 35 Strafanträge ein. roga