Nur Boris Jelzin darf auf die Insel

Die Europäische Union schließt Partnerschaftsverträge mit Rußland und der Ukraine, doch der ukrainische Präsident Krawtschuk darf nicht am EU-Gipfel auf Korfu teilnehmen  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Der griechische Europaminister, der zur Zeit den Vorsitz im Ministerrat der Europäischen Union führt, wollte eigentlich die Partnerschaftsabkommen der EU mit Rußland und der Ukraine in Korfu unterschreiben lassen, auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende des Monats. Doch aus der netten Geste wurde nichts. Die Außenminister der elf EU-Partner fürchteten einen Eklat. Denn der russische Präsident Boris Jelzin sieht es nicht gern, wenn sein Land von den Westeuropäern auf die gleiche Stufe gestellt wird wie die Ukraine.

Der ukrainische Präsident Leonid Krawtschuk wurde deshalb von den 12 Außenministern der EU bereits gestern in Luxemburg zur Vertragsunterzeichnung empfangen. Der russische Präsident darf dann auf Korfu unterschreiben. Vorausgesetzt, die neunsprachigen Übersetzungen des 300 Seiten zählenden Wälzers sind bis dahin fertig. Den Text haben die EU- Außenminister im wesentlichen abgesegnet. Nur die Niederländer wollen erst noch das Kleingedruckte lesen. Notfalls muß Jelzin in Korfu eine Absichtserklärung unterzeichnen.

Die Partnerschaftsabkommen der EU mit den beiden Ländern sehen eine gegenseitige Öffnung der Märkte vor sowie regelmäßige politische Konsultationen. Schrittweise sollen Zölle und Handelshemmnisse abgebaut werden. Langfristig wird sowohl Rußland wie auch der Ukraine eine Freihandelszone mit der EU in Aussicht gestellt. Im Gegensatz zu den Europaabkommen mit Polen, Ungarn, der Tschechischen und der Slowakischen Republik ist ein zukünftiger EU-Beitritt für Rußland und die Ukraine ausgeschlossen.

Die Verträge sind Teil eines Netzes verschiedener Abkommen, mit denen die EU versucht, die osteuropäischen Staaten an sich zu binden. Aus Sicht Brüssels geht es dabei vor allem um sicherheitspolitische Überlegungen. Die Partnerschaftsabkommen sollen einen politischen Rahmen schaffen, der regelmäßige Kontakte sichert. Der EU liegt zum einen daran, die Rivalität zwischen den beiden Nachbarn zu moderieren, von der ständige Unruhe für Osteuropa ausgeht. Zum anderen will die EU sowohl in Rußland wie auch in der Ukraine stärkeren Einfluß auf den Umgang mit ziviler wie militärischer Kernenergie bekommen. Lockmittel ist das Angebot der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Hauptstreitpunkt in der Union war der Zugang russischer Kernbrennstoffe zum Europäischen Markt. Frankreich, Europas größter Hersteller wie auch Verbraucher von angereichertem Uran, wollte die Ansicht der EU-Partner nicht teilen, daß es sicherer sei, überschüssiges russisches Kernmaterial kontrolliert auf dem EU-Markt zuzulassen, als auf das Verantwortungsbewußtsein der russischen Kerntechniker zu bauen.

Zuletzt ging es auch noch um ein russisches Gesetz, das fünf europäischen Banken den Zugang zum russischen Markt verwehrt. Obwohl Jelzin schriftlich zusagte, daß die fünf Banken frei arbeiten könnten, überzeugten zwei holländische Banken ihre Regierung, vor der endgültigen Unterschrift unter den Partnerschaftsvertrag das Jelzin-Schreiben auf seine Verbindlichkeit zu prüfen.

Das Abkommen mit der Ukraine ist weit weniger detailliert und sieht auch weniger Zusammenarbeit vor. Nach Ansicht der meisten Außenminister erfüllt die Ukraine weder die demokratischen noch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Vertrag. Aber die Angst um die eigene Sicherheit überwog schließlich. Im Vordergrund der Zusammenarbeit mit der Ukraine steht deshalb die Hilfe bei der Vernichtung von Atomraketen sowie bei Sicherheitsnachrüstungen für die Kernkraftwerke. Bei der Unterzeichnung forderten die Außenminister Krawtschuk erneut auf, das Atomkraftwerk in Tschernobyl zu schließen. Keine Einigung erzielte sie allerdings darüber, wieviel Geld die Ukraine für die Stillegung des AKWs und die Entwicklung alternativer Stromquellen erhalten soll.