Freiraum Wurmkiste

15 Jahre Ufa-Fabrik – Pubertätsfeier der Großfamilie oder: Wo Ufa draufsteht, ist auch Samba drin  ■ Von Andreas Becker

„Hurra Hurra – wir werden 15“ schreit uns in diesem Jahr gleich reihenweise das Alternativshowbiz entgegen. Die drei wohl größten Geburtstage werden wir mit dem Jubilar Ufa-Fabrik an diesem Wochenende hinter uns gebracht haben. Es begann mit der taz im April, dann folgte letzte Woche das Tempodrom, das ja eigentlich erst 14 wurde. Dort tanzte der Kultursenator, wie auf diesen Seiten zu lesen war. Politiker lieben ja Bühnen, die in dem Ruf stehen, früher einmal politisches Glatteis gewesen zu sein. Alle zusammen schauen dann gern Gründerzeitvideos mit grimmigen Punks drauf an und wundern sich, warum die 79/80 so böse geguckt haben.

Wie sich die Bilder ähneln: Eine Woche später sitzt Volker Hassemer mit Juppi von der Ufa-Fabrik an einem Pressekonferenztisch. Der Senator routiniert locker: „Tja, das hätte ich mir vor zehn Jahren auch nicht erträumt. Aber das Leben macht die lustigsten Spiele mit uns.“ Beide Projekte, Tempodrom wie Ufa, so verschieden sie auch sind, stellen heute plakativ die Ökologie in den Vordergrund. Irene Mössinger will die ungesicherte Zukunft ihrer Zirkuszeltstadt in einen „abgefahrenen Ökobau“ ins nächste Jahrtausend herüberretten. Die Ufa-Fabrik, mit einem Erbpachtvertrag bis 2020 – mit Option auf Verlängerung – hat zum Geburtstag eine Ausstellung ihrer hauseigenen Ökoprojekte eröffnet.

Der Strom wird jetzt selbst erzeugt in einem Blockheizkraftwerk, das einen mehr als doppelt so hohen Wirkungsgrad erreicht als ein herkömmliches Großkraftwerk. Nur abends, wenn alle Bühnenscheinwerfer leuchten, wird Strom aus dem Netz gekauft, der dann doppelt so teuer ist wie die Vergütung für den Strom, den man selbst umweltgerecht liefert.

Die Ufa-Fabrik: 18.000 qm Öko-Idylle? Rund 120 Leute arbeiten hier. Die 45 Kommunarden haben noch heute eine gemeinsame Kasse, an Neubewerbern herrscht kein Mangel. Die Dächer sind begrünt, das Regenwasser spült die Klos, das Brot kommt aus der eigenen Vollkornbäckerei, die ihren eigenen Bioladen betreibt. Man hat seinen Kinderzirkus, den Theatersaal, das Café Olé, einen Kinderbauernhof und, seit Ende der Achtziger, als bei den Alternativen der Hang zur Fortpflanzung endgültig durchbrach, ein Nachbarschaftszentrum für „Schwangere, Mütter, Väter, Babies“.

Haben wir was vergessen? Jede Menge „Körperarbeit“ wird geleistet, man läuft nicht nur im Winter gern über glühende Kohlen, und es gibt „Rottetrommeln und Wurmkisten“ zur Kompostierung. „Wir müssen schon den Kindern beibringen, daß sie den Müll trennen, da fängt es doch an, oder?“ Juppi nimmt mich sanft beiseite, als er hört, daß ich von der taz komme, und erklärt den politischen Charakter des Projekts Ufa so: „Wir wollten eigentlich nur einen Freiraum für unsere Vorstellung von Zusammenleben. Und den haben wir uns geschaffen.“ Bescheiden, der Mann.

Wenn eine Kamera läuft, so wie später die vom SFB – die ewig trommelnde Samba-Truppe der Ufa fungiert als Fernsehballett –, sagt Juppi gern den Satz: „In einer Stunde der Tat steckt mehr als das Gerede von Jahren.“ „Aus Besetzern wurden Botschafter der Berliner Off-Kultur“, formuliert der B1-Moderator. Juppi aber, längst zum Berliner Besetzer-Original uffjestiegen, kann's noch moderater: „Wir haben die Ufa damals nicht besetzt, sondern friedlich wieder in Betrieb genommen.“ Trommlerin Siggi zum Reporter: „Wir sehen uns nicht so sehr als Kommune, sondern als große Familie.“

Als ich den 45jährigen Juppi nach seinem Verhältnis zum Besetzernachwuchs in Ostberlin frage, sagt er, die Ufa-Sambagruppe habe auch schon beim Tacheles gespielt. Überall wo Ufa draufsteht, ist auch Samba drin. Man hat es mit der Völkerverständigung, Frieden-Mir-Karawane, Samba auf dem Roten Platz in Moskau. „Das Politische“ jedenfalls ist für Juppi – seinen bürgerlichen Namen Joseph Becher verrät er mir nur ungern – „so leben zu können wie jeder andere auch“.

Die Kommune um Juppi gab es 1979 schon einige Jahre („Wir hatten unsere Autoritätskonflikte schon ausgetragen“), man kam aus der Landfreak-Szene um Trier, einige waren schwer auf Droge (sagt mir ein taz-Informant) und hatten mit dem Schneeball-Label und der Gruppe Embryo zu tun. Die Ufa- Besetzung, ein Ausbruch aus beengten Lebensverhältnissen als Anekdote: „In Kreuzberg wurde am 9. Juni '79 ein Haus abgerissen, wir haben eine Demo dagegen angemeldet, und gleichzeitig haben die anderen die Ufa besetzt.“

Der Senat war den Ufas zunächst nicht grün. Heute schmückt man sich mit der Ufa-Fabrik und betreibt mit ihr Berlinwerbung. Die ersten neun Jahre kamen sie ohne Subventionen aus, aber auch vorher schon suchte die Ufa nie die Konfrontation, sondern die Annäherung an den Senat. Liz, die seit zehn Jahren an der Dachbegrünung arbeitet, erinnert sich an eine der wohl radikalsten Aktionen: „Im Kulturjahr E 88 sind wir mit der Sambagruppe ins Büro des Kultursenators (damals Hassemer). ,Hört auf, hört auf‘, hieß es da schnell, ,was wollt Ihr denn bloß?‘“

Heute und morgen, 20 Uhr: Show mit Collage Of Hearts, Trio Blamage, Ufa-Circus, Sambaorchester Terra Brasilis u.a. Freilichtbühne (bei Regen im Saal). Morgen und Sonntag, 15 Uhr: Kinderprogramm.