Arsen und Dioxin umsonst und draußen

■ Auf Mülldeponien und NVA-Geländen in Mecklenburg-Vorpommern findet man fast jedes Gift

Berlin/Schwerin (taz/dpa) – Die Giftmülldeponie Schönberg ist nicht die schlimmste Altlast in Mecklenburg-Vorpommern. Der vorpommerische Landkreis Pasewalk muß sich gleich mit zwei noch brisanteren hochgiftigen Altlasten herumplagen. In einer Kiesgrube bei dem Dorf Waldeshöhe sind zwischen 1970 und 1987 etwa 50.000 Kubikmeter flüssige Industrieabfälle teilweise illegal abgelassen und später mit Sand abgedeckt worden. Das hat gestern der Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, Frieder Jelen (CDU), bestätigt.

Außerdem sind in Löcknitz, wo bis 1945 eine dann von der Roten Armee gesprengte Kampfstoff-Abfüllanlage der Wehrmacht stand, Verunreinigungen des Grundwassers mit Arsen nachgewiesen worden. Auf dem Gelände selbst wurden arsenhaltige Kampfmittel wie die Giftgase Lost und Clark entdeckt. Die Gifte schädigen das Nervensystem und lähmen die Atmungsorgane.

Bis 1945 waren auf dem 300 Hektar großen Areal nach Jelens Worten chemische Kampfstoffe abgefüllt und gelagert worden. Weitere Verdachtsflächen schlössen sich nördlich im Raum Eggesin an. Die Bevölkerung bei Löcknitz sei über die Verseuchung informiert worden. Die Nutzung der Grünflächen am Regowsee, in den die Abwässer der Heeresmunitionsanstalt geleitet worden waren, sei seit Oktober 1992 verboten.

Damit bestätigte das Umweltministerium einen Bericht der ARD-Tagesthemen vom Donnerstag, nach dem unter der Deponie Waldeshöhe etwa 180.000 Liter extrem mit Chlorkohlenwasserstoffen belastetes Öl in einer Stärke zwischen einem und 75 Zentimetern auf einer Fläche von 4.000 Quadratmetern auf dem Grundwasser schwimmen. Daneben seien auch Dioxine und Furane in einer Konzentration bis zu 85.800 Nanogramm pro Kilogramm Erde gefunden worden. Das Bundesgesundheitsamt empfiehlt, ab Werten von 40 Nanogramm die Milch von Kühen regelmäßig zu kontrollieren.

Auf Grund der im April vorgelegten Untersuchungsergebnisse seien mehrere Trinkwasserbrunnen im unmittelbaren Umfeld der Deponie vorsorglich gesperrt worden. Die Gesamtsanierung wird mindestens 57 Millionen Mark kosten. Ungeklärt ist nach wie vor die Finanzierung der notwendigen Sanierung und Sicherung der Altlastflächen. Von der NVA und den russischen Truppen sind 1.459 Liegenschaften mit einer Fläche von 28.000 Hektar in die Verwaltung der Oberfinanzdirektion Rostock übergegangen. Für die Altlastenerkundung und erste Maßnahmen seien im Landeshaushalt rund zehn Millionen Mark vorgesehen. Den Forschungsbedarf für die Erkundung der Altlasten bezifferte Frieder Jelen jedoch auf das „Hundertfache der Mülldeponie Schönberg“. Das Gelände der früheren Heeresmunitionsanstalt Löcknitz ist nach Angaben von Landrat Rainer Haedrich (CDU) vom Freitag bislang auch nur punktuell untersucht worden. Das Land hatte im vergangenen Jahr das Angebot des Bundes abgelehnt, die Liegenschaften im Paket und umsonst zu übernehmen. Die Untersuchung von sechs ausgewählten Objekten hatte allein geschätzte Sanierungskosten von 300 Millionen Mark ergeben. Die ausgesuchten Kasernen, der Flugplatz Parchim, das Tanklager Fürstensee und der Truppenübungsplatz Stern-Buchholz gehörten dabei nicht zu den größten Objekten.