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: Geburt des Irrsinns

■ "Lindenstraße"

„Lindenstraße“, So., 20.15 Uhr, ARD

Vor Jahren schon hat Hans Geißendörfer die Vorzüge der „Lindenstraße“ auf den Punkt gebracht: Nicht nur, daß in seiner wöchentlichen Echtzeitshow eine Schwangerschaft wirklich neun Monate dauert, nein, durch den realistisch langen Erzählatem könne der Zuschauer auch in kleinen Sinneinheiten an die wahren Untiefen des Lebens herangeführt werden. So werde dann plötzlich sogar plausibel, wenn der liebe Hansemann Beimer eines Tages Amok laufe.

Die Schwangerschaft der kleinen Iffi Zenker haben wir nun endlich ausgetragen – lange genug hat's ja gedauert – aber auf Herrn Beimers Irrlauf warten wir immer noch vergebens. Dabei hätte es Anlässe genug gegeben. Was hat der Mann nicht schon alles durchgemacht: Der Älsteste ein grüner Revoluzzer, der kleinste ein rechter Nazisympathisant. Die erste Frau eine unselbständige Klette, die zweite eine vielgebärende, gottesfürchtige Mörderin. Spätestens als der Zufall ihn vor zwei Jahren in die Abgründe der Arbeitslosigkeit führte, hätte der gelernte Sozialarbeiter zur Waffe greifen können – ja: müssen. Man hätte es wirklich verstanden.

Aber nein, Schwangerschaften dauern in der Lindenstraße neun Monate, die Geburt des Irrsinns dagegen eben etwas länger. Am vergangenen Wochenende nun hätte es mal wieder zu einem personellen Befreiungsschlag kommen können. Hans wurde schon wieder fristlos entlassen. Jetzt endlich, so dachte man sich, macht Geißendörfer wahr, was er uns seinerzeit versprochen hat: Befreit uns mit einem Schlag von Täubchen, Onkel Franz und Anna Schlag-mich-tot. Gespannt blickte man auf den Bildschirm – und schaute abermals in die Röhre. Einfach nervig, dieses Realitätsfernsehen. klab