Polizei rekonstruiert ihr Versagen

■ Bericht des Polizeipräsidenten liegt im Innenministerium noch immer nicht vor

Magdeburg (taz) – Nach den ausländerfeindlichen Krawallen am Himmelfahrtstag in Magdeburg sind bis gestern acht Haftanträge gestellt worden, denen in vier Fällen stattgegeben wurde. Alle bis jetzt ermittelten mutmaßlichen Täter hätten „uns nicht unbekannte Namen“, sagte Oberstaatsanwalt Rudolf Jaspers. Zwei von ihnen waren bereits wegen Landfriedensbruchs in besonders schwerem Fall zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Zwei andere seien „untergetaucht“.

Derweil versuchte die Magdeburger Polizei gestern – fünf Tage nach den ausländerfeindlichen Krawallen –, ihr eigenes Versagen am Himmelfahrtstag im nachhinein zu rekonstruieren. Der Betreiber eines italienischen Restaurants im Magdeburger Kabarett „Die Kugelblitze“, Frank Schönemann, erhielt nach eigenen Angaben gestern einen Anruf der Magdeburger Kripo, die um Auskunft darüber bat, wen von seinen Mitarbeitern sie am Donnerstag vorübergehend festgenommen habe. Das Personal des Restaurants war von Hooligans angegriffen worden. Die Kellner stellten sich den Randalierern entgegen. Mehrere Polizeibeamte sahen dem Geschehen zunächst untätig zu, berichten Kellner und Besucher des Restaurants.

„Als die Polizei endlich einschritt, ging sie mit Gummiknüppeln vor allem gegen meine Leute vor“, beklagt sich Gastronom Schönemann. Auch er selbst bekam einige Schläge mit dem Gummiknüppel ab. „Und dann wollten die mir in meinem eigenen Restaurant einen Platzverweis erteilen.“ Höhepunkt dieses glorreichen Polizeieinsatzes gegen rechtsradikale Randalierer war die vorläufige Festnahme Schönemanns und weiterer 14 Mitarbeiter seines Restaurants. Der Gastronom hat gegen die beteiligten Polizisten inzwischen Strafanzeige erstattet.

Unterdessen wartete Innenminister Walter Remmers gestern noch immer auf einen detaillierten Bericht von Magdeburgs Polizeipräsident Antonius Stockmann zu den Ereignissen am Himmelfahrtstag. Ursprünglich sollte Stockmann den Bericht bereits am Montag mittag liefern. Als er am Montag abend immer noch nicht vorlag, setzte ihm Remmers einen letzten Abgabetermin für Dienstag morgen. Dieser Termin verstrich ebenfalls, ohne daß ein Bericht vorgelegt wurde.

Ein gewöhnlich gut unterrichteter Mitarbeiter des Innenministeriums schätzte daraufhin schon am Dienstag vormittag ein, daß „die Entlassung Stockmanns offenbar unmittelbar bevorsteht“. Sprecher des Ministeriums, die um Bestätigung dieser Information gebeten wurden, gaben dazu keine Stellungnahme ab. Auch in der Kabinettssitzung der Landesregierung sei über personelle oder organisatorische Konsequenzen aus dem schiefgelaufenen Polizeieinsatz vom Donnerstag nicht geredet worden, sagte Regierungssprecher Dietrich Pawlowski im Anschluß an die Kabinettssitzung. Die Regierung wolle den ausführlichen Bericht von Remmers abwarten und hoffe, daß der bis zur nächsten Kabinettssitzung in der kommenden Woche endlich vorliege. Thema der Sitzung könnte dann auch die Frage werden, warum in Magdeburg amtsbekannte Skinheads, die schon 1991 lebensgefährdende Angriffe auf Punks und Ausländer begangen haben, bis heute nicht vor Gericht gestellt wurden. Eberhard Löblich

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