Asche zu Asche, Tabak zu Torf!

Im brandenburgischen Saalow werden seit Ende 1992 Schmuggelzigaretten kompostiert / Hinter dem Projekt steht Philipp Morris  ■ Aus Saalow Jörg Plath

Von dem ohrenbetäubenden Lärm lassen sich die Polizei- und Zollbeamten mit umgehängten Maschinenpistolen nicht stören. Aufmerksam sehen sie Arbeitern auf der Ladefläche eines Lkws zu, die Zigaretten stangenweise oder verpackt in blaue Plastiksäcke, Koffer und große Reisetaschen in die Schaufel eines Schaufelladers werfen. Ist sie mit der bunten Markenware gefüllt, heult das riesige Gefährt auf, fährt eine kleine Kurve und kippt seine Ladung in einen Schredder. Hinten fliegen die Fetzen heraus. Sie werden sofort besprengt mit einem gelblichen Gebräu. Dann zieht ein angenehm herber Duft über den Platz: Ein zweiter Schaufellader schiebt Rückstände aus der Kaffeeproduktion, sogenannte Kaffeepallets, über die in Fetzen gerissenen Zigarettenreste. Diese besondere Mischung stellt die Beamten zufrieden. Nun läßt sich in dem großen Haufen keine Zigarette mehr finden, die noch zu rauchen wäre.

Was jedes Raucherherz bluten läßt, ist ein Pilotprojekt mit Zukunft. Die Parac Recycling GmbH im brandenburgischen Saalow östlich von Potsdam läßt zellulosehaltige Stoffe, darunter auch Zigaretten, zu Blumenerde verrotten. Angesichts explodierender Entsorgungskosten kann sich das neuentwickelte Verfahren einiger Aufmerksamkeit erfreuen. Denn bleibt die auf Kippen und an Müllverbrennungsanlagen angelieferte Müllmenge von 144,3 Millionen Tonnen (1990) konstant, wird die Hälfte der vorhandenen Deponien bereits im Jahre 2005, die zweite Hälfte noch vor 2015 gefüllt sein.

Eine der Alternativen steht auf dem Schreibtisch von Fritz Petzolt: ein Blumentopf, in dem es einer Pflanze offensichtlich ganz gut geht. „Diese Erde stammt aus unserer ersten Produktion“, sagt der Geschäftsführer der Parac Recycling GmbH stolz. „Wir haben jetzt die erste Stufe abgeschlossen. Die Kompostierung funktioniert, der wissenschaftliche Bericht ist da. Jetzt gehen wir in die zweite Phase und erarbeiten das Marketingkonzept für die Vermarktung unserer hochwertigen Komposterde.“

Pilotprojekt mit Unterstützung eines Multis

Hinter dem am 1. 12. 1992 gegründeten Pilotprojekt steht ein Multi: die Gruppe Kraft-Jacobs-Suchard, die wiederum zu Philipp Morris gehört. Das erklärt die Vielzahl von zellulosehaltigen Stoffen, für die in Brandenburg nach einem Kompostierungsverfahren gesucht wurde: in der Kaffeeproduktion fallen als Abfallprodukte sogenannte Palletts sowie Jute-Sisal-Säcke an, in der Zigarettenherstellung sind es Tabakwaren und Acetate. Dazu kommen Pappe, Papier und Holz.

Doch in der Natur dauert es Jahre, bis Holz und Pappe zersetzt sind. Diese Zeit hat die Industriegesellschaft nicht, schließlich produziert sie ja im Höchsttempo ständig neuen Müll. Daher beschleunigt sie den Verrottungsprozeß.

Das wichtigste Instrument industrieller Zersetzungskünste ist der Schredder. Was den Schredder kleingerissen verlassen hat, wird mit einer wäßrigen Lösung besprüht und mit Mikroorganismen versetzt, die noch zu Zeiten der DDR entwickelt worden sind.

Die Masse wird dann zu Mieten aufgehäuft und von Zeit zu Zeit gewendet. Während des Gährungsprozesses im Innern der Mieten entstehen Temperaturen von über 70 Grad Celsius. Nach drei bis vier Monaten müssen nur noch die Plastikverpackungen der Zigaretten ausgesiebt werden. Selbst Acetate und Jute-Sisal-Säcke, die früher verbrannt werden mußten, zersetzen sich vollständig. Der Kreislauf hat sich geschlossen – Asche zu Asche, Tabak zu Torf.

Dies neuartige Verfahren ist nicht nur von großen Betrieben mit Abfallproblemen aufmerksam registriert worden. Auch die Politik meldete Interesse an. Eine Tages bekam Fritz Petzolt Besuch vom Verband der deutschen Zigarettenindustrie und den Oberfinanzdirektionen Bonns, Potsdams und Berlins. „Mitte 1993 habe ich den Herren vorgeführt, wie man Zigaretten vernichtet. Und seit einige Gesetze und Anordnungen geändert sind, werde ich regelmäßig mit geschmuggelten Zigaretten versorgt, die unter Zollschutz vernichtet werden.“

Fritz Petzolt braucht nicht zu befürchten, daß der Nachschub in naher Zukunft ausbleibt. Allein in den neuen Bundesländern haben die Zollfahnder 1992 347 Millionen Zigaretten beschlagnahmt, 1933 waren es bereits 624 Millionen. Die Marke „Illegal“ ist im Osten Deutschlands mit zirka 30 Prozent „Marktführerin.“

Die Schmuggelzigaretten kostenlos an soziale Institutionen zu verteilen, gaben die Behörden bald auf. Nicht nur, weil die Altenheime der Republik selbst bei ausgefeiltester Logistik von solchen Mengen überfordert gewesen wären. Vielmehr bewiesen ihre munteren Insassen ebensoviel Geschäftssinn wie einige Exporteure: den Zollfahndern begegnete das Schmuggelgut des öfteren ein zweites Mal.

Kompostieren ist gesünder als Qualmen

Die Vernichtung der Zigarettenberge aber war nicht ungefährlich. Zigaretten sind gesundheitsschädlich – das gilt für den Raucher ebenso wie für die Umwelt. Bei der Verbrennung entsteht Dioxin, die Deponierung gefährdet das Grundwasser. Die Kompostierung, also die Rückführung in den Kreislauf der Natur, scheint dagegen die Ideallösung zu sein. 15 Minuten braucht man, um eine Million Zigaretten zu vernichten.

43 Tonnen Schmuggelzigaretten wurden 1993 kompostiert, hinzu kamen 2.000 Tonnen sonstige zellulosehaltige Abfälle. „Das Verhältnis wird wohl so bleiben“, meint Fritz Petzolt. „Die Zigaretten werden auch in Zukunft ungefähr ein Prozent ausmachen.“

Blumenerde aus Tabak, diese eingängige Werbung werden die Brandenburger also nicht machen können für ihr „Parac Biopur“. Aber von einer würzigen Beimischung, von einer besonderen Note ihres Komposts können sie schon sprechen.