"Plattenburg" bei Frohnau geräumt

■ Eine Hundertschaft Polizisten räumte auf Beschluß des Landratsamtes Oberhavel die Wagenburg von zwölf Obdachlosen / Bürger von Stolpe-Dorf reden mit Obdachlosen über Instandsetzung des Rittergutes

Mit einer Hundertschaft Polizisten, 22 „Wannen“ und fünf Abschleppwagen hat das Landratsamt Oberhavel am frühen Dienstag morgen die „Plattenburg“ von zwölf Obdachlosen räumen lassen. „Kurz vor sieben pocherte det an den Bauwagen, und einer brüllte ,Aufstehen! Ausweise zeigen‘“, sagte Hans, einer der Bewohner, gestern der taz. Als er aus dem Fenster geschaut habe, „war der ganze Platz schon voller Polizei“.

Bereits am Montag morgen war ein Ultimatum des Landratsamtes Oberhavel zur Räumung des Geländes auf dem Mauerstreifen bei Frohnau ausgelaufen. Vertreter der Kreisverwaltung hatten bei einem Vor-Ort-Gespräch am Montag allerdings erklärt, daß sich möglicherweise eine Lösung finden lasse. Deshalb kam die Räumung für die BewohnerInnen recht überraschend.

Auf das Angebot der Gruppe, den Platz noch am gleichen Tage freiwillig zu verlassen, sei die Polizei nicht eingegangen, erklärte Frank Kußmaul. Die Beamten seien anfangs sehr hart vorgegangen. Hans, der nur seine Jacke aus dem Bauwagen holen wollte, sei von Beamten festgehalten worden. „Die haben mir den Arm auf den Rücken gedreht und mich ein paar Meter weit abgeführt“, so Hans. Als Frank dies mit seiner Videokamera festhielt, seien drei Beamte sofort auf ihn zugestürmt. Auch Sabine, die versuchte, die Videokassette vor dem Zugriff der Beamten zu retten, wurde mit den beiden anderen bis um 10 Uhr festgehalten. Die anderen Plattenburg-Bewohner „durften zur Arbeit gehen“, sprich: ihre Zeitung Die Platte verkaufen.

„Wir werden dessen beraubt, was wir uns in Wochen und Monaten erarbeitet haben“, kritisierte Hans. Sogar das Frühstück – „30 Schrippen waren schon geschmiert“ – sei beschlagnahmt worden.

Das Landratsamt Oberhavel begründete die Räumung gestern unter anderem damit, daß es sich „um ein aus ökologischer Sicht sehr sensibles Gelände“ handle. Eine gewagte Behauptung für ein sandiges Stück Mauerstreifen. „Wenn man hier zehn Zentimeter tief buddelt, findet man Teerreste, Kabel und Bauschutt“, schilderte einer der Obdachlosen.

In einer Pressemitteilung der Behörde wird behauptet, die Plattenburg-Bewohner seien von Mitarbeitern der Kreisverwaltung aufgesucht und über die Räumung informiert worden. Die taz-Reporterin, die während des gesamten Gesprächs zugegen war, hat davon aber ebenso wie die Obdachlosen keine Silbe vernommen. Ordnungsamtsleiter von Saldern hatte im Gegenteil erklärt, er sei „nicht ohne Hoffnung. Vielleicht findet sich eine Lösung.“ Der Aufenthalt dürfe aber „nicht zu lange dauern“. Das Gespräch, das die Gruppe am Montag nachmittag mit dem Bürgermeister von Stolpe-Dorf geführt habe, ist nach Angaben von Frank dagegen ermutigend verlaufen. Heute abend werden die BürgerInnen im Dorfkrug zusammenkommen, um mit den Obdachlosen zu reden. Die Gruppe möchte gerne das Rittergut in Stolpe-Dorf instand setzen, das bis 1991 von einer LPG genutzt wurde und nun verfällt. Dem Vorhaben müßte allerdings auch der Berliner Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) zustimmen. Ihm ist die Berliner Stadtgüter GmbH unterstellt, die das Anwesen verwaltet. Dorothee Winden