Bosnische Stadt Lukavac ehrt „ehrliche Bürgerin“

■ Die Bremer Bürgeschaftsabgeordnete Marieluise Beck wird Ehrenbürgerin der Stadt Lukavac in Bosnien Danksagung an die Bremer Initiative „Brücke der Hoffnung“

In Deutschland hinterlassen Zeremonien zur Verleihung von Ehrenbürgerschaften manchmal einen faden Beigeschmack. In Bosnien, zumindest dieser Tage, nicht. Es war kein hohler Pathos vonnöten, keine Rücksichtnahmen auf Parteienarithmetik oder eine irgendwie zustandegekommene offizielle Verpflichtung, die den Stadtrat von Lukavac dazu veranlaßten, der Bremer Bürgerschaftsabgeordneten Marieluise Beck am letzten Mittwoch den Titel einer Ehrenbürgerin zu verleihen. Es war schlicht und einfach Dankbarkeit. Nicht nur für die Lebensmittelhilfe für die hungernden Bürger, sondern auch für das Zeichen, das durch das Engagement der bremer Bosnien-Initiatve „Brücke der Hoffnung“ gesetzt ist. „Ihr Einsatz“, so der Bürgermeister der Stadt, Sead Hasanhodzic, „hat nicht nur zu unserem Überleben beigetragen, Sie haben uns auch ein Zeichen aus Europa gegeben, daß wir nicht alleine sind.“

Es war eine schlichte Zeremonie, die da im Rathaus abgehalten wurde. Zur Entfaltung von Pomp besteht auch nach wie vor kein Anlaß. Obwohl der Winter vorbei ist und nun in den Gärten Grünes sprießt und somit das Gröbste überstanden scheint, ist der Mangel an den nötigsten und einfachsten Dingen des Lebens in der Region alltäglich geblieben. Denn nach wie vor ist das freie Bosnien von freiem Verkehr zur Außenwelt abgeschnitten, nach wie vor hängen die über 650.000 Menschen der Region Tuzla und mi ihnen die 55.000 Bewohner des Bezirks Lukavac am Tropf der internationalen Hilfe. „Nur 20 Prozent der berechneten Mindestmenge an Lebensmitteln konnte von den Hilfsorganisationen in den Raum gebracht werden,“ erklärt der Bürgermeister. „Und über 8 Monate bekamen wir gar nichts, bis auf einen Konvoi aus Bremen.“

Die Freude war damals groß, als am 17. Januar die beiden LKWs, beladen mit den Spenden der Klöckner-Belegschaft, abgeladen wurden. Sicherlich, die 32 Tonnen Lebensmittel waren für die Bedürfnisse der 55.000 Menschen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Damals, zur Jahreswende, schien ihnen die Lage hoffnungslos. Von den Truppen der serbischen Nationalisten eingekesselt sowie von den Truppen der kroatischen HVO von der Außenwelt abgeschnitten, wog die Ankunft des ersten Konvois schwer. „Wir sind nicht vergessen worden“. Und daß es dann gelingen konnte, im März, April und Mai durch Beauftragte und exilierte Bürger der Stadt Lukavac selbst organisierte Konvois in die Stadt zu geleiten, glich fast schon einem Wunder. Der politische Druck von seiten der USA und auch Deutschlands auf Kroatien und damit die „kontrollierte Wiedereröffnung“ der Zufahrtswege nach Zentralbosnien trug erste Früchte. Mit dabei waren die Lieferungen der Bremer „Brücke der Hoffnung“: am 19. März via Split 7 Tonnen, am 2. April 21 Tonnen, dann eine Woche später 180 Tonnen Mehl, Öl und Zucker. Und daß am vergangenen Wochenende weitere 255 Tonnen Lebensmittel und Saatgut aus Bremer Spenden geliefert werden konnten, hängt mit der verbesserten Logistik eng zusammen, die über die Stadtverwaltung selbst aufgebaut worden ist.

„Manchmal wußte ich wirklich nicht, wo mir der Kopf steht, es gab Momente der Verzweiflung“, sagte Marieluise Beck in ihrer Dankesrede: Damals, als das erste Bremer Fahrzeug, das sich im großen Tuzla-Konvoi befand, im Juni 1993 von kroatischen Nationalisten überfallen und konfisziert wurde — jetzt ist der Laster wieder da — damals, im Dezember, als der zweite Konvoi via Belgrad an den bürokratischen Hürden scheiterte, oder damals Ende Dezember, als der große Konvoi der bundesweiten Organisation von „Brücke der Hoffnung“ Bosnien nicht erreichen konnte. Der Abwurf von Lebensmitteln durch Flugzeuge über anderen Hungergebieten war die letzte Möglichkeit.

Die Bürger von Lukavac bräuchten nur einen gesicherten Zugang zum Ausland, um die Dinge grundsätzlich zu ändern. „Wir besitzen Industrie, eine Kokerei, eine Beton- und Sodafabrik, wir könnten wieder arbeiten und uns selbst ernähren“, erklärten am Rande der Feier viele der Stadtverordneten. Doch noch ist es nicht so weit: Im Gegenteil, der Angriff der serbisch-bosnsichen Armee auf die Region Tuzla scheint erneut bevorzustehen. „Da der Flughafen der Stadt immer noch nicht geöffnet ist und die Wege weiterhin unsicher sind, konnte die Lebensmittelzufuhr in die Region während der letzten Wochen trotz unserer Initiativen nicht stabil gehalten werden,“ warnte Hasan Mahovkic, der Leiter des logistischen Zentrums der Stadt, in seinem Rechenschaftsbericht. „Das heißt für uns, die einzige Mahlzeit am Tag ist nun wieder gefährdet“, flüsterte die Übersetzerin. Und sie hoffe, daß der „ehrlichen Bürgerin“ aus Bremen — so ihre Übersetzung von Ehrenbürgerin — weitere Wunder zur Moblisierung von Spenden gelingen mögen.

Aus Lukavac Erich Rathfelder

Heute (Dienstag) ist der Bürgermeister von Lukavac, Sead Hasanhodzic, zu Besuch in Bremen. Heute abend berichtet er über seine Stadt und über die Lage in Bosnien. Zugleich werden Marieluise Beck und der Radio Bremen-Journalist Manfred Schlichting über ihre Reise durch Bosnien berichten. Um acht in der Landeszentrale für politische Bildung, Osterdeich 8