Abschied von der Vergangenheit

■ In Spanien dienen Hafterleichterungen als Mittel gegen Gefangenensolidarität

„Die Bedingungen für Terroristen, Hafterleichterungen zu erlangen, sind nicht anders als für alle anderen Gefangenen auch“, versichert die Sprecherin des Justizministeriums lakonisch. „Sie müssen erkennen lassen, daß sie ihre Haltung gegenüber dem begangenen Delikt geändert haben.“ Was sich so simpel anhört, ist in Wirklichkeit für die politischen Gefangenen in Spanien der alles entscheidende Punkt.

Drei verschiedene Härtegrade haben die Haftbedingungen in spanischen Gefängnissen. Der erste und repressivste ist für konfliktträchtige Gefangene vorgesehen, der dritte beinhaltet Freigang am Wochenende und die Möglichkeit, außerhalb des Knastes arbeiten zu gehen und dort nur die Nacht zu verbringen. Schriftliche Gesuche oder politische Reuebekenntnisse werden nicht verlangt, um in den 3. Grad zu kommen. Jedoch muß ein Viertel der Haftstrafe abgesessen sein und die Gefängnisverwaltung die feste Überzeugung haben, daß der Gefangene seine Taten, einmal in Freiheit, nicht wiederholen wird.

Die Anwendung von Hafterleichterungen wie zum Beispiel vorzeitigen Haftentlassungen hat immer wieder zu öffentlichen Auseinandersetzungen geführt. So wurde im vergangenen Jahr das Mitglied der linken Organisation Grapo, Mercedes Herranz Arcones, in Begleitung eines weiteren mutmaßlichen Grapo-Mitgliedes festgenommen, nachdem sie drei Jahre zuvor vorzeitig aus der Haft entlassen worden war.

Die Mehrheit aller Gefangenen befinden sich im 2. Grad, irgendwelche Auflagen müssen dafür nicht erfüllt werden. Von den etwa 560 Gefangenen der baskischen Untergrundorganisation ETA befinden sich jedoch nur etwa zwanzig im 3. Grad. Etwa die Hälfte dieser Gefangenen ist noch nicht rechtskräftig verurteilt, weshalb Freigang für sie ausfällt, die überwiegende Mehrheit der Etarras lehnt jedoch darüber hinaus Hafterleichterungen grundsätzlich ab, da sie einem Kniefall gegenüber dem System gleichkämen.

Bis 1989 waren die politischen Gefangenen in unterschiedlich großen Gruppen zusammengefaßt gewesen. Seit in jenem Jahr die Verhandlungen scheiterten, die die spanische Regierung mit der ETA in Algerien führte, wurde eine rigorose Verlegungspolitik betrieben, um das Gefangenenkollektiv zu spalten.

Inzwischen sind die ETA-Gefangenen auf 87 spanische Knäste verteilt, die meisten liegen außerhalb des Baskenlandes, was Besuche durch Familienangehörige erschwert. Die Auseinanderlegung der Gefangenen, die von den Angehörigen und den Unterstützerorganisationen heftig kritisiert wurde, hat bedingt ihre Wirkung gezeigt. Hafterleichterungen anzunehmen beziehungsweise zu beantragen bedeutet den Ausschluß aus dem Gefangenenkollektiv und damit die soziale Isolierung. „Sie haben sich selber ausgeschlossen, wir kümmern uns nicht mehr um sie“, kommentiert ein Mitglied der Gruppe Gestoras pro Amnistia, die getrost als verlängerter Arm des harten ETA-Flügels angesehen werden darf.

Die Ausrichtung des jetzigen Innenministers – falls er den Rücktritt, den er am vergangenen Samstag angekündigt hat, nicht verwirklichen sollte – könnte das Gefangenenkollektiv weiter aufweichen. Antoni Asuncion ist erklärter Gegner des Dialogs mit der ETA, da dieser seiner Meinung nach ohnehin nie Wirkung gezeigt hat. Eine politische Lösung für den ETA-Konflikt hatte jedoch immer auch eine mittelfristige Freilassung der ETA-Gefangenen beinhaltet. Angesichts der Aussichten, bis an den Rest ihres Lebens in spanischen Knästen dahinzuvegetieren, dürfte manch einer die Rückkehr in die bürgerliche Gesellschaft vorziehen. Antje Bauer