Skepsis gegen Autonomie-Abkommen

■ Verhaltene arabische Reaktionen auf palästinensisch-israelische Einigung / Rabin: PLO schlecht auf Übernahme vorbereitet / PLO bittet um Verlangsamung des israelischen Abzugs aus Autonomiegebieten

Kairo/Tel Aviv (taz) – Während die USA und die Europäische Union (EU) den Abschluß des israelisch-palästinensischen Teilautonomievertrages in Kairo gestern begrüßten, hielten sich arabische Politiker und Kommentatoren eher bedeckt. US-Präsident Bill Clinton beglückwünschte die PLO und Israel zur der „historischen Etappe“ auf dem Weg zum Frieden. In ihrer gemeinsamen Erklärung sprachen die europäischen Staaten der EU von einer „bedeutenden Etappe“ und betonten erneut ihre Bereitschaft zur politischen und wirtschaftlichen Unterstützung des Friedensprozesses.

„Es ist ein erster Schritt zur Schaffung eines palästinensischen Staates“, so der insgesamt eher vorsichtige Tenor in der arabischen Presse. „Mit dem Ende dieses Stadiums beginnt der Kampf um die Schaffung eines palästinensischen Staates. Er wird jetzt von palästinensischem Boden aus geführt, nicht mehr von außerhalb.“ Mit diesem Satz wurde der ägyptische PLO-Berater Lutfi Al-Khuli in der Presse zitiert.

Für viele arabische Kommentatoren zeugte auch der dramatische Verlauf der Unterzeichnungszeremonie von den bevorstehenden Problemen. „Wer gestern zugeschaut hat, der hat ein Stück Geschichte gesehen, aber gleichzeitig war es auch ein plastisches Beispiel für das Gewicht der Probleme“, heißt es in der ägyptischen Tageszeitung Al-Ahram. Ähnlich äußerte sich die libanesische Zeitung Al-Hayat. Sidqi Al-Dajani, ehemaliges Mitglied des PLO-Exekutivkomitees, beklagte gegenüber der ägyptischen Zeitung Al-Ahram Weekly, daß Israel und die PLO in ihren Verhandlungen vor allem zwei Themen umgangen hätten: das Problem der jüdischen Siedlungen und das der palästinensischen Flüchtlinge.

Der Vertrag würde nichts bringen, ließ die lybische Nachrichenagentur knapp verlauten. Die syrische Zeitung Al-Thaura verurteilte das Abkommen als „Separatvertrag“ mit Israel. Ein umfassender Friede erfordere den israelischen Rückzug aus allen besetzten Gebieten. Es bleibe dem Libanon nichts anderes übrig, als der PLO zu gratulieren, erklärte der libanesische Außenminister Boiz in Beirut, auch wenn der Vertrag nicht alle Hoffnungen des palästinensischen Volkes erfüllt habe. Es sind gerade die palästinensischen Flüchtlinge im Libanon, deren Status bisher in den Nahostgesprächen nie zum Thema gemacht wurde. Im Süden des Libanon und an der israelischen Nordgrenze waren die Kämpfe auch in den letzten Stadien der Verhandlung über das Abkommen weitergegangen. In einigen Flüchtlingslagern des Libanon war aus Protest gegen den Abschluß des Vertrages ein Generalstreik ausgerufen worden.

Für Überraschung sorgte Israels Ministerpräsident Rabin auf seiner Pressekonferenz am späten Mittwoch abend: Er teilte mit, PLO- Chef Arafat habe gebeten, den israelischen Truppenrückzug aus den Teilautonomiegebieten Jericho und Gaza-Streifen erst im Verlauf der kommenden vier Wochen zu vollziehen. Dies, obwohl Israel in der Lage sei, den Abzug bereits in zehn Tagen abzuschließen. Die PLO sei auf eine Machtübernahme in den Autonomie-Gebieten schlecht vorbereitet und wolle Zeit gewinnen. Schon bei der Vorbereitung des israelischen Truppenabzuges habe sie nicht die erforderlichen Ansprechpartner benannt, erklärte Rabin.

Die PLO-Führung in Tunis ist offenbar in der Schwierigkeit, daß sie die passenden Leute vor allem aus den besetzten Gebieten selbst rekrutieren müßte. Dort ist das Autonomiestatut für den Gaza-Streifen und Jericho aber auf erhebliche Kritik gestoßen. Das gilt nicht nur für erklärte Gegner eines solchen Modells, wie die islamische Hamas und die Gruppe Jehad Al- Islami, sondern auch für das gemäßigte PLO-freundliche Establishment. Die PLO-Führung in Tunis will offenbar vermeiden, vor ihrer Rückkehr in die besetzten Gebiete lokale Kritiker der Arafat-Politik für wichtige Positionen der palästinensischen Autonomiebehörden zu ernennen. Karim El-Gawhary/Amos Wollin