Prozeß gegen zehn Neonazis muß neu beginnen

■ Nachdem eine Schöffin erkrankte, platzte gestern Prozeß gegen Althans & Co.

Stuttgart (dpa/taz) – Nach über drei Jahren Verhandlungsdauer ist der Stuttgarter Neonazi-Prozeß geplatzt. Wie das Stuttgarter Landgericht gestern mitteilte, wurde das Verfahren wegen Krankheit einer Schöffin ausgesetzt. Der Prozeß gegen die zehn Angeklagten wegen Fortführung einer verbotenen Vereinigung muß nun neu aufgerollt werden. Beobachter schätzen die bisher entstandenen Kosten für die mehr als 120 Prozeßtage auf weit über eine Million Mark. Durch die Krankheit einer Schöffin sei die laut Strafprozeßordnung einzuhaltende Zehn-Tage-Frist zur Fortsetzung der Verhandlung nicht zu gewährleisten, begründete die Staatsschutzkammer ihren Beschluß. Bisher steht noch nicht fest, wann der neue Prozeß beginnen wird.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft führten die Angeklagten die bereits im Gründungsjahr 1983 verbotene „Aktionsfront Nationale Sozialisten/Nationale Aktivisten“ (ANS/NA) des vor drei Jahren gestorbenen Michael Kühnen als Rädelsführer weiter. Auf der Anklagebank saßen bis gestern unter anderem Jürgen Mosler, einst Freund, dann Gegenspieler Kühnens, Michael Swierczek, Chef der vor zwei Jahren verbotenen „Nationalen Offensive“ (NO), und Neonazi-Wortführer Bela Ewald Althans.

Der Prozeß, der im Februar 1991 begann, war ursprünglich auf drei Monate konzipiert. Im April 1991 war nach Ansicht der Kammer und der Staatsanwaltschaft die Beweisaufnahme abgeschlossen. Seither stellten vor allem drei Rechtsanwälte unzählige Verfahrens-, Beweis- und Befangenheitsanträge. In den vergangenen Monaten lehnte die Staatsschutzkammer Befangenheitsanträge immer öfter mit der Begründung ab, sie dienten lediglich der Prozeßverschleppung. Das Plädoyer des Hamburger Rechtsanwalts Jürgen Rieger, einschlägig bekannt als führende Figur der deutschen Neonazi-Szene, zog sich über Wochen dahin. Die Staatsanwaltschaft hatte im Dezember 1993 Freiheitsstrafen bis zu dreieinhalb Jahren für die Angeklagten gefordert.

Das Verfahren gegen Friedhelm Busse, Bundesvorsitzender der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP), war im Dezember vergangenen Jahres von dem Stuttgarter Prozeß abgetrennt worden. Im Januar verurteilte das Gericht Busse zu 20 Monaten Haft, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden.