Tudjmans Thron wackelt

■ Wie die Freunde des kroatischen Präsidenten zu seinen Feinden wurden

Zagreb (taz) – Zwei richtige Freunde waren sie, der kroatische Präsident Franjo Tudjman und der Präsident des kroatischen Senates, Josip Manolić. Sie sind Nachbarn, und die Gärten ihrer Villen in der Zagreber Nazarova Ulica 57/59 grenzen aneinander – was für die Nomenklatura des alten Jugoslawien nicht ungewöhnlich ist. Schließlich wohnten auch Alija Izetbegović und Radovan Karadžić in Sarajevo einmal einträchtig zusammen. Doch Tudjman und Manolić verband weit mehr, denn lange Zeit waren sie auch politische Weggefährten. Während Tudjman als der jüngste General Titos schon in den fünfziger Jahren in Belgrad zu hohen Ehren kam, baggerte sich Manolić als Polizei- und Geheimdienstmann langsam, aber sicher in der Partei nach oben. Und beide riskierten den tiefen Sturz, als sie nach dem „kroatischen Frühling“ 1971 der Bannstrahl des „Alten“, des von beiden bewunderten Staatsgründers des II. Jugoslawien, Josip Broz Tito, traf. Die kurze Gefängnishaft ließ Tudjman und Manolić noch enger zusammenrücken. Und als 1989 die Zeit der Demokratisierung kam, gründeten sie zusammen die nun regierende Partei: die Kroatische Demokratische Gemeinschaft HDZ. Manolić wurde der Organisator und Tudjman der ideologische Führer. Seite an Seite führten sie Kroatien in die Unabhängigkeit und durch den Krieg.

Doch Ende März wurde die Freundschaft ziemlich abrupt beendet. Unvorstellbares geschah: Josip Manolić kritisierte seinen Freund, den Präsidenten, öffentlich. Und das in einem Moment, als jener sich anschickte, aller Welt glaubhaft zu machen, daß er, Franjo Tudjman, nichts, aber rein gar nichts mit dem Krieg in Bosnien-Herzegowina zu tun habe. Daß er immer für die Verständigung mit den Muslimen Bosniens eingetreten sei. In den Augen Tudjmans hätte Manolić jedoch verstehen müssen, daß der Freund auf amerikanischen und deutschen Druck das Washingtoner Abkommen vom 18. März unterzeichnet hatte. Der einstweilige Friedensschluß zwischen Kroaten und Muslimen, die Kehrtwendung um 180 Grad, mußte dem Volk und der Partei erklärt werden. Daß Manolić jedoch an seine interne Kritik an dem kroatischen Angriff in Bosnien erinnerte, während Tudjman die Aufteilung Bosniens betrieb, grenzte demgemäß an Hochverrat. Tudjman warf Manolić kurzerhand aus der Partei, deren Gremien er überrumpelte. Seither versucht er ihn auch als Präsidenten des Senats auszuhebeln.

Die ganze Aktion hätte der Präsident wohl unterlassen sollen. Denn Josip Manolić besitzt als ehemaliger Geheimdienstmann Kenntnisse über viele Landsleute, politische Gegner und Freunde, das heißt, er verfügt über Verbindungen und Macht. Daß er sich zudem nun politisch im Recht fühlt, hat dem Mann, der bisher immer im Hintergrund blieb, in der Öffentlichkeit Sympathien eingebracht. Als sich auch der Expräsident des ehemaligen Jugoslawien, der charismatische Chef des kroatischen Unterhauses, Stipe Mesić, nach ähnlichen Konflikten mit Tudjman Ende März offen auf die Seite von Manolić schlug, wuchs dessen politisches Gewicht. Gemeinsam können sie Tudjman jederzeit gefährlich werden. In die Partei, die sie gründen wollen, werden auch Abgeordnete der HDZ überwechseln. Damit können sie die absolute Mehrheit der Regierungspartei gefährden. Selbst wenn die beiden Dissidenten nur den „linken“ Flügel der HDZ an sich binden, hinge die Regierung in der Luft.

Doch soweit ist es noch nicht. Vorerst dringen allerlei Informationen über den Präsidenten und dessen Familie an die Öffentlichkeit. Da ist von Stjepan Tudjman, dem Sohn, die Rede, der sich mit der Firma „Domovin“ das Monopol für die Ausrüstung der kroatischen Armee mit Uniformen und Lebensmitteln gesichert hat. Oder von dem anderen Sohn, Miroslav, der zum Kontrolleur der fünf kroatischen Nachrichtendienste aufgestiegen ist und zusammen mit dem ehemaligen Premierminister Franjo Gregorić und dem Verteidigungsminister Gojko Susak in Waffengeschäfte verstrickt sein soll. Stimmt das, so wäre auch hier ein nettes Sümmchen drin. Daß zudem die Schwester, Navenka Tudjman, neben den Boutiquen, die sie betreibt, ihrem Sohn das Monopol für Kroatiens Schießstände verschafft hat, rundet das Bild einer raffgierigen Familie ab. Denn jeder Mann, der eine Waffe hat, muß seit kurzem einen Waffenschein erwerben. Den erhält er jedoch nur nach Übungen auf Sohnemanns Schießständen.

Auch der autokratische Stil des Präsidenten wird jetzt nicht nur in der frechen Wochenzeitung Feral Tribune karikiert. Denn nach dem Schisma mit Manolić und Mesić murren selbst manche Hofschranzen laut. Da wird beklagt, daß der „Rat des Präsidenten für Nationale Sicherheit und Verteidigung“ die Regierung zunehmend überflüssig mache. Zwar sind neben Verteidigungsminister Susak auch Premier Valentić und, unter wechselnden Besetzungen, die Politiker Jure Radić, Franjo Gregorić, Antun Vrdoljak und andere geladen – Manolić und Mesić gehörten bis vor kurzem ebenfalls zu dem erlauchten Kreis –, doch wenn Minister die Beschlüsse ihrer Regierung am nächsten Morgen aus der Zeitung erfahren, geht das selbst den treuesten Tudjman-Anhängern zu weit. So haben die bösen Zungen, die das Gremium als „Politbüro der Tudjman-Monarchie“ charakterisieren, die Lacher stets auf ihrer Seite.

Doch immer noch kann sich der Präsident auf starke Freunde stützen. Bisher ließ Premier Nikola Valentić nämlich nicht erkennen, daß er von dem Präsidenten abzurücken gedenke. Das wiegt in der Öffentlichkeit noch schwer, denn Valentić hat es geschafft, die Inflation einzudämmen und den Wert des kroatischen Dinar gegenüber den harten Währungen um 25 Prozent zu steigern. Zudem ist er die treibende Kraft bei der Privatisierung der Wirtschaft, und Mitglieder der HDZ, die ein Schnäppchen aus dem Volkseigentum machen wollen, ziehen die Freundschaft mit ihm vor. Auch Außenminister Mate Granić, der mit seinem Verhandlungsgeschick an Profil gewonnen hat, setzt an dem Präsidenten öffentlich nichts aus. Zudem kann sich Tudjman auf die Treue des Fernsehchefs Vrdoljak verlassen, der die elektronischen Medien zu Propagandaagenturen machte. Der rechte Flügel der HDZ unter dem Ideologen und ehemaligen Dissidenten Vladimir Seks steht ohnehin ehern auf Tudjmans Seite. Problematisch dürfte jedoch die Treue eines anderen Mannes werden: die des Verteidigungsministers Gojko Susak.

Der ehemalige Pizzabäcker aus Kanada, mit dem sich Tudjman in kommunistischem Stil in den letzten Wochen immer wieder in der Öffentlichkeit zeigte, ist neben Vice Vukojević und Mate Boban der mächtigste Mann der sogenannten Westherzegowina-Lobby. Sie ist es, die Kroatien im Einklang mit Tudjmans Teilungspolitik gegenüber Bosnien-Herzegowina in den Krieg in Bosnien zog. So lautet jedenfalls die Anklage der Opposition. Daß Tudjman sich heillos in den Fallstricken der Mafia verfangen habe, ist eine gutwillige Interpretation. Andere klagen ihn der direkten Zusammenarbeit mit den Herzegowinern an. Daß diese nicht nur den Waffenhandel beherrschen und das Geld des Exils nach Kroatien dirigieren, daß Mitglieder dieser Lobby auch vor Geschäften mit den Serben nicht zurückschrecken und sich an dem Krieg in Bosnien bereichern, wird inzwischen offen ausgesprochen.

Vielleicht hilft dem Präsidenten die Freundschaft mit Susak über den Bruch mit Manolić hinweg. Persönlich wäre es ihm zu wünschen. Doch politisch ist er damit in eine gefährliche Lage geraten. War es ihm vorher möglich, zwischen den drei Fraktionen der eigenen Partei zu vermitteln und mit linker Rhetorik rechte Politik zu machen, so ist er nun tatsächlich an einem Scheideweg angelangt. Entweder entledigt er sich der Geister, die er rief, und riskiert dabei, einen Teil der Machtbasis zu verlieren, oder er hält an ihnen fest. Angesichts seiner wirtschaftlichen und politischen Verstrickungen scheint das letztere wahrscheinlicher. In jedem Falle jedoch ist seine Position als unbestrittener Präsident Kroatiens untergraben. Und bei Verlust der Mehrheit im Parlament drohen sogar Neuwahlen und damit der Sturz ins Ungewisse. Erich Rathfelder

Siehe auch Interview mit Josip Manolić und Stipe Mesić auf Seite 10