Sanssouci
: Vorschlag

■ Klaus Gietingers Buch „Eine Leiche im Landwehrkanal – Die Ermordung der Rosa L.“

So soll man eigentlich ein Buch nicht machen! Den 66 Seiten eng beschriebenen Text folgen weitere 27 noch enger bedruckte Seiten mit 385 Anmerkungen.

Klaus Gietinger wollte eine Fernsehdokumentation machen, blitzte aber überall ab. Weil er vom Recherchestoff inzwischen eingefangen worden war, forschte er weiter, trug Details zusammen und las bisher noch nicht veröffentlichte Quellen. Am Ende steht nun ein kleines Buch über die ersten politischen Morde der Weimarer Republik: die Erschießung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

Wer sich mit der Geschichte der zwei Morde am Landwehrkanal näher beschäftigen will, der sollte das zu schlicht aufgemachte Buch zumindest gelesen haben. Gietinger meint, endlich Klarheit in bezug auf die Frage gebracht zu haben, wer am Abend des 15. Januar 1919 Rosa Luxemburg erschossen hat. Sein Name ist Leutnant zur See Hermann W. Souchon, der berühmt-berüchtigte, schon 1919 ausgemachte unbekannte Siebte der Freicorps- Mordgesellschaft, auf den die damaligen Angeklagten verwiesen. Souchon, im Kriegsgerichtsprozeß Anfang Mai 1919 als Zeuge vernommen, soll nach Aussagen des Generalstabsoffiziers Waldemar Pabst auf dessen Geheiß auf das Trittbrett des fahrenden Autos gesprungen sein und dann auf Rosa Luxemburg den tödlichen Schuß abgefeuert haben. 1967 brach Pabst sein jahrelanges Schweigen und erklärte nicht nur, damals „schweren Herzens“ den Befehl zur Ermordung Luxemburgs und Liebknechts gegeben zu haben, sondern auch Souchon die konkrete Vorgehensweise vorgeschrieben zu haben. Da er dies nicht beweisen konnte, unterlag er Souchon 1969/70 in einem Zivilprozeß vor dem Landgericht Stuttgart. Souchon bestritt die Tat heftig und zog sich auf die gängige These des Mordes durch Oberleutnant a.D. Vogel zurück. Gietinger setzt Mosaiksteinchen zusammen und belegt den Mord durch den Marineoffizier Souchon. So kann es gewesen sein.

Nebenbei erfahren die LeserInnen auch noch etwas über eine in völig anderem Zusammenhang bekannte Persönlichkeit deutscher Geschichte. Der als Widerständler gegen Hitler im April 1945 ermordete Kapitänleutnant Wilhelm Canaris beteiligte sich ebenfalls an den Freicorpstruppen und war im Mai 1919 Richter im Kriegsgerichtsprozeß gegen die Mörder von Liebknecht und Luxemburg. Er verhalf dem damaligen Hauptangeklagten Oberleutnant a.D. Vogel drei Tage nach der Urteilsverkündung zur Flucht nach Holland. Jürgen Karwelat

Klaus Gietinger, „Eine Leiche im Landwehrkanal. Die Ermordung der Rosa L.“, Decaton Verlag, Mainz 1993, 108 Seiten, 14 DM.