WG-Ekel sucht ...

■ Wie Berliner StudentInnen ihre Wohnungswünsche am Schwarzen Brett formulieren / Belohnungen sind out

„Raucher, faul, häßlich, trinke, habe Schuppen, Akne und Fußpilz im Endstadium ... sucht großes Zimmer oder kleine Wohnung“ – eine verlockende Perspektive für künftige Vermieter? Torsten, wohnungssuchender Pädagogikstudent, wollte Aufmerksamkeit erregen, wollte, daß jemand seinen Aushang überhaupt zur Kenntnis nimmt. Schon mehrere Monate lang hatte der 29jährige Anzeigen über Anzeigen aufgegeben, Aushänge in Hülle und Fülle in der Uni verteilt. Vergebens. Da blieb nur eins – sich mühsam ein wenig Humor abringen, eine Anzeige, die schockt. „Not macht erfinderisch“, sagt Torsten. Doch so ganz wollte die Rechnung nicht aufgehen. Trotz der auf dem Aushang dokumentierten Versicherung, sich, „ganz ehrlich“, ändern zu wollen, führte die allzu plastische ironische Selbstdarstellung offenbar zu einer betrüblichen Verunsicherung potentieller Vermieter. Lediglich fünf Leute meldeten sich auf den provokanten Aushang. Zu einer Besichtigung kam es nur in einem Fall. Und auch dort entschied man sich für einen anderen Bewerber. Torsten suchte resigniert das Weite und fand Zuflucht bei seiner Schwester im ruhigen Oldenburgischen.

„Immobilienbesitzer sind sture, ungebildete Menschen, primitive Stammtischtypen“, resümiert der Berliner Psychologe Konrad Sprai. „Mit Witz oder Ironie, ist da gar nichts zu holen“, sagt er. Da weiß der Fachmann Rat: Soll die studentische Wohnungssuche erfolgreich sein, müssen Solidität, Durchschnittlichkeit und seriöser sozialer Hintergrund an erster Stelle stehen. „Anders sieht es bei Wohngemeinschaften aus“, weiß Sprai. „Da sind Originalität und Individualität gefragt.“

Ironisch oder seriös, witzig oder originell – beim Kampf um Wohnungen scheuen die meisten keine Mühe. Da ist zum Beispiel der Ali, der mit zwei Freunden eine Dreier-WG aufmachen will. In der Küche ihrer alten Bleibe, leicht beschwingt durch einen guten Tropfen, ersannen sie beim Durchblättern eines Filmkalenders zugkräftige Lockanzeigen. Zu Photos von Schauspieler-Trios mit Woody Allen oder den Marx Brothers, dichteten sie Texte, die gierigen Vermietern Hoffnung machen: „Geld spielt keine Rolex, Offizier, Schulleiter, Rechtsanwalt suchen für ihre brillanten Söhnlein eine 3-4- Zimmer-Wohnung in den üblichen Bezirken“. Nur unten, ganz klein in der Ecke, der Hinweis, daß Geld nur bis 1.200 Mark bedeutungslos ist. Der Erfolg allerdings blieb bisher aus. Erfolgreicher war das Konzept von Harriet, die mit klangvoller Lyrik ihrem Wunsch nach einer Wohnung Ausdruck verleihen wollte: „Ich weiß, es ist der Hohn, was kriegt man heutzutage für 4.000 Mark schon, doch trotzdem hab' ich eine Bitte, ich such 'ne Wohnung in Berlin- Mitte.“ Mit Erfolg. Bald kann sie vermutlich in ihre neuen vier Wände im Wedding ziehen. Oder der Markus, dessen Freundin ihm hübsche Kanapees auf die Aushänge malte – nach einer Woche schon war der Vertrag unterzeichnet. Kein Einzelfall. Ein Aushang, der ins Auge sticht, nett und doch interessant, ist oft der Schlüssel zur nächsten Bleibe. Das liegt nicht zuletzt an den gewandelten Verhältnissen auf dem Wohnungsmarkt. Etwa 14.400 Wohnheimplätze stünden den 150.000 Studenten in ganz Berlin zur Zeit zur Verfügung, behauptet Petra Fritsche vom Studentenwerk. Deshalb setzen Studenten auch kaum noch Belohnungen aus. Ali, der noch immer eine Wohnung für seine Dreier-WG sucht, findet es nahezu unmoralisch. „Schließlich ist das Recht auf Wohnung ein Grundrecht“, sagt er. „Der gute Anstand verbietet doch wohl solch fragwürdige Bestechungen.“ Im Notfall würde er lieber einem Makler eine Provision zahlen. „Das ist vielleicht mein schwäbischer Ordnungssinn.“ ad