Kraftprobe für Tudjman

■ Mitarbeiter gründen eine neue Partei

Wien (taz) – Kroatiens Präsident Franjo Tudjman steht vor einer innenpolitischen Kraftprobe: Zwei seiner ehemals engsten politischen Mitstreiter kündigten gestern die Gründung einer neuen Partei an. Sie forderten Gleichgesinnte auf, ebenfalls aus Tudjmans alleinregierender „Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft“ (HDZ) auszutreten und sich den „Unabhängigen Demokraten“ anzuschließen.

Die Palastrevolte wird von den beiden HDZ-Mitbegründern Josip Manolić und Stjepan Mesić angeführt, die Tudjman den autoritären Führungsstil und schwere Fehler in der Bosnienpolitik anlasten. Im vorigen Jahr kündigte Tudjman die Waffenbrüderschaft mit den bosnischen Muslimen auf und liebäugelte, ähnlich wie sein serbischer Gegenspieler Slobodan Milošević, mit der Zerschlagung Bosnien- Herzegowinas. Die Truppen der herzegowinischen Kroaten fielen – von Kroatien unterstützt – den verbündeten muslimischen Verbänden in den Rücken. In der Region Maglaj und Travnik schlossen sich kroatische Einheiten sogar den serbischen Freischärlerbanden an, um gemeinsam den „muslimischen Fundamentalismus zu bekämpfen“ (Tudjman).

Der letzte gesamtjugoslawische Staatspräsident Stjepan Mesić distanzierte sich bereits damals von der „serbisch-kroatischen Annäherung auf Kosten der Muslime“ und forderte die Absetzung von Verteidigungsminister Gojko Šušak, der für die Anzettelung des kroatisch-muslimischen Konflikts und die Errichtung von kroatischen Todeslagern verantwortlich ist. Trotz aller Kritik hielten Mesić und Reformer Manolić ihrem geistigen Ziehvater Tudjman die Treue und vermieden jede direkte Annäherung an die Oppositionsparteien unter Führung des sozialdemokratisch orientierten Altdissidenten Dragan Budiša.

Der ehemalige Studentenführer aus der 68er-Generation versucht schon seit drei Jahren eine tragfähige Parlamentsopposition gegen Tudjman aufzubauen, bisher erfolglos. Der kroatische Präsident konnte mit dem immer mächtiger werdenden Armeeapparat, mit Sondervollmachten und einer Ausnahmegesetzgebung die bürgerliche Verfassung aushöhlen: Die Presse wurde gleichgeschaltet, die großen politischen Entscheidungen traf der Präsident ohne Rücksprache mit dem Parlament oder seinen Parteifreunden. Ob es Mesić gemeinsam mit Budiša gelingen wird, Tudjmans Macht zu begrenzen oder den Präsidenten sogar zu entthronen, ist derzeit noch völlig offen. Der Machtkampf hat in Kroatien erst begonnen. Karl Gersuny

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