Der schwule Freund wird abgeschoben

■ Ein Mann bemüht sich seit zehn Jahren um Aufenthaltsgenehmigung für seinen afrikanischen Lebensgefährten / Homos kommen im Ausländerrecht nicht vor

Verliebt sich eine deutsche Frau im Urlaub außerhalb der Europäischen Union unsterblich in einen Einheimischen, dann gibt's nur einen Ausweg, damit die beiden in der Bundesrepublik legal zusammenleben können: Sie müssen heiraten. Verknallt sich hingegen eine Lesbe oder ein Schwuler in den Ferien, bleibt das Hintertürchen zum Standesamt versperrt. Erst im Oktober vergangenen Jahres haben die Karlsruher Verfassungsrichter das Eheverbot für Homosexuelle bestätigt, und im Ausländerrecht kommen lesbische und schwule Partnerschaften nicht vor.

Homo-Glück nur in der Urlaubszeit

Walter Grimm kann von dieser Gesetzeslücke ein Lied singen. Seit über zehn Jahren kämpft der schwule Bad Vilbener um eine Aufenthaltsgenehmigung für seinen Freund Ibrahim aus Mauretanien. Es war Liebe auf den ersten Blick, als der deutsche Mitarbeiter eines Entwicklungshilfeprojekts 1983 seinem Traummann begegnete. Zur Zeit kann sich das schwule Pärchen nur in Walters rarer Urlaubszeit in die Arme fallen. Ibrahim reiste in den vergangenen Jahren zwar mehrfach mit einem Touristenvisum in die Bundesrepublik, mit seiner letzten Ausreise im Juli 1993 kam er jedoch einer drohenden Abschiebung nur kurz zuvor.

Alle Versuche, die schwule Beziehung in Deutschland zu legalisieren, waren fehlgeschlagen. Zuerst lehnte die Ausländerbehörde des hessischen Wetteraukreises eine Aufenthaltserlaubnis für Ibrahim ab: „Ihr privates Interesse daran, künftig mit Herrn Grimm in einer Lebensgemeinschaft zusammenzuleben, muß letztendlich hinter dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der ausländerrechtlichen Bestimmungen zurückstehen“, heißt es in dem Bescheid der Behörde. Das Regierungspräsidium von Darmstadt, bei dem das Widerspruchsverfahren landete, setzte noch eins drauf: „Angesichts der Vielzahl der bereits im Bundesgebiet lebenden ausländischen Staatsangehörigen kann der weitere Zuzug nur noch zur Verfolgung bestimmter Zwecke gestattet werden, so zum Beispiel zur Ermöglichung der ehelichen Lebensgemeinschaft.“

„Die Situation für lesbische und schwule Paare verschiedener Nationalitäten ist total beschissen“, kann Jörg Rowohlt vom Bundesverband Homosexualität (BVH) nur bestätigen. Dutzende betroffene Pärchen fragten monatlich in der Berliner Geschäftsstelle des schwulen Dachverbandes um Rat, ohne daß ihnen geholfen werden könne. „Man kann den Leuten eigentlich nur raten, es illegal zu versuchen“, meint Rowohlt. Statt öffentlich auf ihr Recht zu pochen, sei es für ausländische LebenspartnerInnen erfolgversprechender, bei den Behörden möglichst nicht aufzufallen. Oftmals führten nur „Tricks“ oder Umwege zur ersehnten Aufenthaltserlaubnis. Glück habe zum Beispiel ein ägyptischer Schwuler, wenn er den Nachweis erbringen kann, daß er als Koch in einem ägyptischen Restaurant unabkömmlich sei.

Für Ibrahim S. kommt als letzter Ausweg nicht einmal eine Scheinehe mit einer Deutschen in Betracht. Heiratet der aktenkundige Schwule plötzlich eine Frau, würde die aufmerksame Ausländerbehörde des Wetteraukreises wahrscheinlich Zweifel anmelden und versuchen, die Ehe für nichtig zu erklären. Die Rettung der Beziehung erhofft sich Walter Grimm vom Petitionsausschuß des hessischen Landtages. In einer Eingabe hat er die Abgeordneten gebeten, Ibrahim „aus humanitären Gründen“ eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen – beigefügt ein ärztliches Attest, das dem vom Behördenstreit gepeinigten Bad Vilbener Suizidgefahr wegen Depressionen bescheingt. Um das Verfahren, das seit Juni 1993 im Landtag schmort, zu beschleunigen, haben sich Freunde Walter Grimms nun entschlossen, mit Anzeigen in Tageszeitungen auf den „Fall“ aufmerksam zu machen.

Doch selbst wenn das rot-grüne Hessen für Ibrahim eine Ausnahmegenehmigung findet, kann nur der Bundestag der Diskriminierung binationaler Homo-Paare ein Ende setzen. Einen möglichen Weg wies der Bundesverband Homosexualität im vergangenen Jahr mit seinem Entwurf eines „Gesetzes über die beglaubigte Partnerschaft“, das als Gegenmodell zur Homo-Ehe der Realos gedacht war: Mit einem einfachen Gang zum Notar sollen Lebensgemeinschaften von zwei oder mehr Personen dieselben Rechte eingeräumt werden wie jetzt Ehepaaren.

Rote Roben für wilde Homo-Ehe?

Während der Vorstoß in Bonn auf taube Ohren stieß, bekam der BVH überraschenden Rückenwind von den roten Roben aus Karlsruhe: Fie Frage, ob der Gesetzgeber zur rechtlichen Absicherung homosexueller Lebensgemeinschaften verpflichtet sei, könne „grundsätzliche Bedeutung“ zukommen, heißt es im Homo-Ehebeschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom Oktober vergangenen Jahres. Micha Schulze