Ein Tag Groningen - rätselhaft günstig

■ Selbstversuch morgens um sechs: Tagesfahrt nach Groningen, eine Schiffahrt inklusive für 10 ,-

Samstagmorgens um sechs sind die Straßen in Walle menschenleer. Nur der Freibankschlachter betritt soeben sein Geschäft. Und ich bin mit Regenschirm und Rucksack unterwegs, weil ich endlich diesem rätselhaft günstigem Angebot eines Waller Reisebüros erlegen bin: Tagesfahrt zum Groninger Wochenmarkt mit drei Stunden Aufenthalt und Schiffahrt, ganze zehn Markt. Der Doppeldeckerbus – unerwartet komfortabel – wartet am Hauptbahnhoff. Fünf Oberstufler, die unbekümmert gleich nach der Abfahrt die ersten Biere öffnen, und vielleicht 40 Männer und Frauen, die alle irgendwie nach Frührentnern aussehen. Ich sitze als einzige alleine und wundere mich beiläufig, warum sich die flotte Reisebegleiterin so sehr darüber aufregt, daß ein paar Leute abgesprungen sind, 50 Mark mehr oder weniger, kommt es darauf an?

Später, als wir durch das flache, noch unbetulpte Holland bis nach Eemshaven gefahren sind, begreife ich die Unruhe der Reiseleiterin. Es geht ihr um die bevorstehende Schiffahrt. Das Schiff nämlich, welches schon an der trübseligen Anlegestelle dümpelt, ist nichts anderes als eine getarnte schwimmende Kaufhalle mit Cafebetrieb. Rationierter zollfreier Einkauf ist angesagt, für den die Reiseleiterin provisionsträchtige Bordkarten verteilt und einschmeichelnd anfragt, ob man nicht, falls man selbst nicht bedürftig sei, ihr Schnaps und Zigaretten mitbringen würde.

Vergnügt verteilt sich die buntgemischte Rentnerband auf die Plätze in den Bordcafes, wo ringsum Gäste aus anderen Städten begrüßt werden. Viele kennen sich schon. Schon nähert sich mir eine ältere Holländerin, zutraulich blinzelnd: „Kaufst du Schnaps? Nein? Bring mir einen Genever mit, ja? Er steht im Laden hinten links in der Ecke.“ Sie schiebt mir die abgezählten 11 Mark 50 rüber, so daß ich nur noch verlegen „nein“ zum ebenfalls angetragenen Zigarettenwunsch murmeln kann. „Du trägst das ein auf deiner Karte, ich hole die Flasche nachher, o.k.?“ O.k. Beim dritten Bittsteller kann ich mein Zigaretten-Kontingent dann doch nicht mehr zurückhalten.

Ein ganzes Ende später holt sich die Holländerin ihren Schnaps ab und erklärt mir dabei, daß das gesamte Schiff in höher- und minderwertige Aufkäuferclaims aufgeteilt ist. „Ich mach das natürlich nur privat, für Freunde und so. Aber die anderen handeln damit und verdienen sich was dazu. Einmal die Woche kommen wir mindestens.“ Fast drei Stunden dauert diese seltsame Seefahrt. Draußen spritzt der eiskalte Wasserschaum, drinnen werden die Menschen zunehmend feuchtfröhlicher. Auch die Oberstufler aus Bremen haben ihre Schnapsflaschen geöffnet.

Zurück im Bus kaue ich erschöpft meine zollfreien Haribos, während Ehefrauen ihre beschnapsten Männer zurechtweisen: „Brüll nicht so, Heinz!“ Gegen 14 Uhr fahren wir in Groningen ein, nach siebeneinhalb lustigen Stunden. Eine schöne Stadt, dieses Groningen, ein lebendiger Wochenmarkt und viele, viele Geschäfte. Mitbringsel für die Familie habe ich versprochen. Käse und Küchlein und eine Portion der so hochgelobten Pommes Frites werden erstanden. Bei einem philosophierenden Wirt trinke ich Kaffee und bestaune zum Schluß noch die schreienden Blumenverkäufer an, wie sie ihre letzte Ware lossschlagen.

Pünktlich bin ich wieder an unserem Bus. Meine Mitreisenden erwarten mich schon sehnlichst: „Da trödelt sie gemütlich über die Straße, dabei könnten wir schon längst wieder in Bremen sein!“ Das werden wir dann schließlich auch um 19 Uhr. „Bis zum nächsten Mal“, grüßt die Reiseleiterin, nachdem sie an alle – außer an mich – Informationszettel über weitere Ausflugsangebote verteilt hat. „Bis zum nächsten Mal!“ grüßt es von fast allen zurück. Cornelia Kurth