Der mit dem Fisch tanzt

Gerald Uhligs Ausstellung von Fischen und Menschen im Berliner Zoo-Aquarium  ■ Von Katja Winckler

Einen skurrilen Ort wählte der Künstler Gerald Uhlig für seine derzeit laufende Ausstellung: das Berliner Zoo-Aquarium. Hier begrüßte er persönlich die Anwesenden zur Eröffnung seiner sogenannten szenischen Ausstellung „Von Fischen, Menschen und anderen Kunstwerken“. Der umtriebige, aus Heidelberg stammende Künstler, Jahrgang 1953, hatte seine Finger bis jetzt fast überall im Spiel. Theaterstücke an großen Häusern (in Frankfurt und Hamburg), Einzelausstellungen (Berlin), Performances, eigene Publikationen und sogar eine Platten- Produktion sind auf seinem Mist gewachsen.

Wer nicht nach den (vorhandenen) Kakerlaken am Boden Ausschau hält, hat Gelegenheit, sich im Eingangsbereich auf die, nach Uhligs Worten, „bespielte Ausstellung“ einzustimmen. Hier installierte Uhlig ein überdimensionales Besteck (Messer und Gabel), zwischen dem sich eine riesige Bratpfanne – immer wiederkehrendes Motiv des Künstlers – befindet. Die in seinen Arbeiten der letzten zwei Jahre häufig verwendeten toten Riesenfische tauchen hier nicht mehr in natura, sondern nur als fotografische Abbildungen auf.

Den Titel dieser Installation „Altar 2004“ erklärt Uhlig in einer kurzen Einführung: Konträr sei die Beziehung zwischen Fisch und Mensch. Das Rohöl, das der Mensch aber zum Autofahren brauche, schade dem Fisch. „Da Sie ja als Journalisten wenig Zeit haben, sind sie sicher mit dem Auto gekommen“ – falsch, und ein etwas krampfiger Versuch, das Publikum einzubeziehen.

Der Fisch ist älter als der Mensch

Und auch ein Schwenk zur indischen Religion, in der der Fisch die älteste Kreatur, der Mensch jedoch nur deren jüngster Auswurf sei, fehlt nicht. In seiner Ausstellung solle man erkennen, was die Schöpfung für Phantasie und Schönheit hervorgebracht habe. Zwei Wege könne man hier beschreiten: die Schöpfungsgeschichte einerseits, die Zivilisationsgeschichte andererseits.

Nun denn. Aber zuvor muß Christi aus Ghana (Sinnbild für den Ursprung, da man hier mittlerweile die ersten Menschen vermutet) in voller Montur in einem Bassin mit bunten Fischchen ausharren und mit einem gellenden Schrei die Ausstellung, pardon, Geschichte einleiten. Ein Mann in schwarzem Anzug steigt mit einem Saxophon die Treppe herunter und wird die Räume den ganzen Abend mit improvisiertem Jazz erfüllen, der sich dort ganz hervorragend in die Umgebung einpaßt. Nun taucht man in die Welt der Fische ein, und eine angenehme Ruhe überkommt den Besucher. Die karge Beleuchtung, die vielen Aquarien mit den verrücktesten Fischarten lassen für kurze Zeit alles andere vergessen. An Readymades aus Plastik, Metall oder Ton mit bedeutungsschwangeren Titeln vorbeiziehend, stößt man auf Tänzerinnen. Mit den Händen folgen sie den Bewegungen der Fische und suchen scheinbar eine Verbindung zu ihnen aufzuneh

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Fortsetzung

men. Elektroakustische Klänge, die den Herzschlag der Wale imitieren, erzeugen eine plötzlich aufbrechende Stimmung. Unvorstellbar große Fische gleiten majestätisch durchs Wasser. Eine gänzlich andere Welt. Was sich zunächst als behutsame Annäherung an das Lebewesen Fisch aufbaut, findet schließlich seinen Höhepunkt: Eine farbige Sängerin, vor ein Aquarium plaziert, bekundet ihre Abkehr von dem Reich der Menschen mit dem Lied „Mein Herz ist ein Hai“. Ein Bruch zeigt sich in dem Aqua- und Terrarium, an dessen Ufer eine Blondine (Julie-Delpy-Typ) plaziert ist. Mit ihrem spinatgrünen Kleid fügt sie sich in die Natur ein. Ganz anders verhält es sich mit einem Mann unter Wasser. Er ist mit zivilisatorischen Attributen ausgestattet, trägt einen Anzug, eine Sauerstoffmaske, Taucherbrille und hält ein schwarzes Telefon auf dem Schoß. Ein Riesenbarsch umschippert den Homo sapiens. Dieses fast gewaltsame Eindringen in das Tierreich will den kranken Zivilisationsgeist in sich bergen – dieses Ganz-dicht- dran-sein-wollen, das ein Trugschluß ist.

Zwiesprache mit dem Riesenzackenbarsch

Ob der Titel „Männerfreundschaft“ (zwischen Fisch und Mann?) eine böse Anspielung sein soll, sei dahingestellt... Der Rundgang führt uns zu einer verlassenen Schönheit, die mit ihrem Geliebten, vermutlich dem Riesenzackenbarsch (laut Programmanweisung), Zwiesprache hält. Doch nun huscht die Tänzerin von vorhin an mir vorbei, redet mit ihrem „Chef“ Uhlig und beginnt so die mühsam geschaffene Traumwelt – ob gewollt oder nicht – zu dekonstruieren. Die nun kommenden, sehr banalen Readymades tragen eindeutige Zeichen der Zivilisation: Man sieht eine Diskette mit Flosse, ein Skelett mit Fischkopf, einen Fischcorpus mit Menschenschädel. Leider bleibt das alles ziemlich auf der Linie eines gymnasialen Kunst- Kurses.

Das letzte Menschenarrangement erinnert an das Märchen „Die Meerjungfrau“ von Andersen: Ein Mann möchte zu einer ihm unerreichbaren Frau gelangen. Mit gelben Schwimmflossen an den Füßen und Schwimmbewegungen, die ihn kein Stück weiterbringen. Warum Uhlig hier nun einen Inder plaziert hat, ist nicht ganz eindeutig. Scheinbar impliziert der Künstler mit dem Außereuropäischen Naturverbundenheit, während der Weiße sich nur mit Gewalt der Natur nähern kann (siehe Tauchermasken-Mann). Am Schluß des Spektakels führt der Weg an einem von Stierwettkampfspießen durchbohrten Fisch vorbei. Dat war's.

Der Pferdefuß bei Ausstellungen mit anwesenden Künstlern ist der: Einerseits ist man froh, wenn etwas zum Werk gesagt wird, andererseits macht penetrante Selbstdarstellung wie bei Uhlig viel kaputt. Schlimm ist, wenn Messages aufgesetzt wirken. An Glaubwürdigkeit mangelt es dem, der sich den Touch der Naturverbundenheit gibt, zugleich aber mit Pepsi als Sponsor wirbt. Von eher ganz schlechtem Geschmack zeugen die Postkarten-Abbildungen zu der Ausstellung, an deren Rand eine kleine Pepsi-Flasche abgebildet ist. Da stellt sich dann wirklich die Frage, wie weit die Kunst gehen darf und wann sie sich verkauft.

Weitere Aufführungen finden vom 24. bis 27.März um 20 Uhr statt, sowie am 2. bis 4. April um 21.30 Uhr und am 7. bis 10. April um 20 Uhr. Aufführungsort: Zoo-Aquarium Berlin, Budapester Straße 32, Tel.: 234 012 16. Eintritt: 10 DM, ermäßigt 6 DM, Familien 20 DM. Ein Katalog über Gerald Uhligs Arbeiten kostet 12 DM.