Blätterfunk

■ Ab Herbst ist das Radiomonopol des ORF gebrochen / Privatfunk-Lizenzen fest in der Hand von Zeitungsverlagen

Wien (taz) – Die langjährige Monopolherrschaft des österreichischen Rundfunks (ORF) hat bald ein Ende. Was in Deutschland in der Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken ist, befindet sich im Nachbarland nun endlich in der Entwicklungsphase: Ab Herbst werden nicht mehr nur vier ORF-Programme, sondern weitere zehn Regionalprogramme zu hören sein.

Private Radios sind zwar formal schon seit dem am 1. Januar in Kraft gesetzten Privatradiogesetz zugelassen, aber über die Vergabe von Frequenzen wird erst Anfang April entschieden. Pro Bundesland soll vorerst einmal nur eine Frequenz ausgeschrieben werden. Lediglich in Wien wird es zwei Privatradios geben. Ab 1995 sollen auch Ergänzungsprogramme und Stadtradios in allen Bundesländern zugelassen werden.

Nach monatelangen Verteilungskämpfen haben sich Betreiber für ein landesweites Radioprogramm in den jeweiligen Bundesländern zusammengefunden. Doch wer erwartet hatte, daß hier wirklich Radioambitionierte zum Zug kommen werden, wurde enttäuscht. Vielmehr haben die Printmedien die ihnen zugestandenen Beteiligungsmöglichkeiten weitlich ausgeschöpft. Anteile bis zu 26 Prozent dürfen sie in ihrem Hauptverbreitungsgebiet erwerben. Jeweils zehn Prozent können sie in ihrem Hauptverbreitungsgebiet erwerben, weitere zehn Prozent stehen ihnen in einem Bundesland zu, in dem sie „keine dominierende Stellung haben“. So wollte es der Gesetzgeber.

Die Boulevardblätter Krone und Kurier, die eine Reichweite von über 50 Prozent haben, nützten diese Möglichkeiten voll aus. Aber auch fast alle anderen österreichischen Tageszeitungen stiegen in die Privatradioprojekte ein. Für den Salzburger Publizistikprofessor Hans Heinz Fabris ist „diese multimediale Konzentration ein Wahnsinn“.

Doch damit nicht genug. Deutsche Verlage sind in der Alpenrepublik bisher vor allem durch ihr massives Engagement im Zeitungsbereich aufgefallen. Nun drängen sie auch ins Radiogeschäft. Über ihre 45prozentige Beteiligung an Krone und Kurier ist die WAZ-Gruppe gleich bei fünf Bundesländer-Radios Anteilseigner. Der Springer Verlag, der an den Tageszeitungen Der Standard und Tiroler Tageszeitung sowie der Illustrierten News beteiligt ist, mischt indirekt in sieben Bundesländern mit. Über den Landesverlag, an dem sie 51 Prozent hält, ist die Verlagsgruppe der Passauer Neuen Presse mit der Privatradiogesellschaft in Oberösterreich im Geschäft. Ein Neueinsteiger in den österreichischen Medienmarkt ist hingegen der Nürnberger Telefonbuchverleger Gunther Oschmann, der bisher in Bayern erste Erfahrungen im Privatradiomarkt gesammelt hat. In Kärnten, Salzburg und Tirol bewirbt er sich nun mit seinen Mitgesellschaftern um eine Lizenz.

Während beim ORF der Parteieneinfluß eher auf einer subtilen Ebene läuft, müssen sich neue Privatradiomacher wie Oschmann in jedem Fall an politische Einflußnahme gewöhnen. Denn Parteizeitungen, parteieigene Druckereien und Verlage, Politfunktionäre sowie Blätter, die einer Partei nahestehen, haben sich in allen Bundesländern an der Konstruktion einer Radiogesellschaft beteiligt. Das Engagement richtet sich natürlich streng nach dem Parteienproporz in dem jeweiligen Bundesland. Bei Interventionen können sich die Politiker dann sogar auf ihr wirtschaftliches Interesse rausreden.

Praktischerweise sitzen in der Regionalradiobehörde, die ab dem 8. April über die Vergabe der Lizenzen urteilt, fast ausschließlich Proporz-Politiker. Frühestens im Juni geben die Mitglieder des Gremiums bekannt, welche Gesellschaft in welchem Bundesland zum Zuge kommt. Es ist anzunehmen, daß vor allem jene Bewerber zum Zuge kommen werden, die den Parteiinteressen entgegenkommen.

Bei allem Pessimismus, ob die Privatradios tatsächlich eine qualitative Bereicherung für die Medienlandschaft in der Alpenrepublik werden, gibt es für den Wissenschaftler Fabris zumindest einen positiven Effekt. „Der ORF, der schon etwas träge geworden ist, bekommt Konkurrenz und muß sich nun mehr anstrengen.“

Doch der Medienmoloch weiß bereits im Vorfeld zu verhindern, daß die Konkurrenten zu stark aufdrehen können. Die öffentlich- rechtliche Anstalt muß laut Gesetz für die Privatradios Frequenzen zur Verfügung stellen. Die Reichweite der Frequenzen hat der Gesetzgeber jedoch nicht angegeben. Für den ORF eine willkommene Hintertür, um gerade in den gebirgigen Regionen nur Frequenzen mit einer geringen Reichweite abzutreten. Die Privatradiomacher in der Alpenrepublik werden damit nicht nur gegen politische, sondern auch gegen technische Widrigkeiten zu kämpfen haben. Alexandra Föderl-Schmid