Ferngesteuert gegen Nachwuchs

■ US-ForscherInnen suchen nach neuen Verhütungsmitteln / Wechseljahre werden im Gehirn künstlich ausgelöst

Die Krebsangst US-amerikanischer Frauen haben ForscherInnen jetzt für die Erprobung einer neuen gefährlichen Verhütungsmethode genutzt. In einem Pilotversuch an der Universität von Südkalifornien wurde im Gehirn von zwölf Frauen jener Stoff blockiert, der die Produktion der Sexualhormone im Körper auslöst und steuert. Dadurch wollen die MedizinerInnen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Verhütung von unerwünschtem Nachwuchs und Schutz vor Krebs.

Moderne Verhütungsmittel, besonders die mit Hormonen, werden seit einigen Jahren schon von Forschung und Industrie als höchst heilsam für die Frau gepriesen. Die Pille, so heißt es in ungezählten Studien der Pharmaindustrie, birgt kaum nennenswerte Risiken, schützt aber vor Krebs an Eierstöcken und Gebärmutter. Nichts zu bieten hat die Verhütungsforschung allerdings zum Thema Pille und Brustkrebs. Schlimmer noch: Dessen Risiko soll sich mit Einnahme der zusätzlichen künstlichen Hormone sogar erhöhen, weil sie das Gewebe in der Brust verdichten.

Dem wollen die FrauenheilkundlerInnen im Team von Darcy V. Spicer und Malcolm C. Pike an der kalifornischen Universität nun beikommen. Ihre Annahme: Ein Verhütungsmittel mit sehr niedriger Hormondosierung kann auch das Risiko von Brustkrebs senken. Da aber das Hormonniveau in Pillen nicht unendlich gesenkt werden kann, weil sie sonst nicht mehr ordentlich verhüten, mußte eine andere Lösung her. Und die suchten und fanden die MedizinerInnen im Gehirn. Dort, in der Hirnanhangdrüse, wird das Gonadodropin freisetzende Hormon (GnRH)) produziert, bei Frau und Mann die Quelle des fein abgestimmten Zusammenspiels der Sexualhormone. GnRH ist bei Frauen zuständig für die Reifung der Eizellen und bei Männern für die Produktion der Spermien. Wird bei Frauen vor Beginn dieser hormonellen Kaskade eingegriffen, wirkt das wie eine künstliche Einleitung der Menopause: Die Eierstöcke werden blockiert und so sämtliche Zyklusfunktionen lahmgelegt. Empfängnis und Schwangerschaft sind erfolgreich verhindert.

Welche Auswirkungen dieser Eingriff im Gehirn hat, ist nicht absehbar. Anlaß für die Weltgesundheitsorganisation (WHO), diesen Ansatz bei ihren Verhütungsforschungen nicht weiter zu verfolgen. Frauen aus Gesundheits- und Solidaritätsgruppen lehnen solche Impfstoffe aus einem weiteren Grund ab. Sie bieten sich für den Mißbrauch, besonders in bevölkerungspolitischen Programmen in den Ländern des Südens, geradezu an.

Anders sehen das Spicer und Pike. Mit einem alle 28 Tage injizierten, lang wirksamen GnRH- Antagonisten, kombiniert mit gezielten Gaben von Ersatzhormonen, wollen sie beweisen, daß diese Verhütungstechnik das Zellwachstum in der Brust von Frauen verringert. Die kalifornischen MedizinerInnen suchten und fanden achtzehn Frauen im Alter von 25 und 40 Jahren, die sich freiwillig in die zweijährige Pilotstudie begaben. Zwölf von ihnen erhielten den GnRH-Impfstoff-Prototypen, die anderen sechs dienten als Kontrollgruppe. Die Krebsangst dieser Frauen war offensichtlich groß genug, um sich an den gewagten Experimenten zu beteiligen. Denn nur bei einer der Frauen in der Verhütungsgruppe wurde tatsächlich Brustkrebs diagnostiziert. Alle anderen hatten lediglich ein erhöhtes Risiko für diese Krebsart, also eine an Brustkrebs erkrankte Mutter oder Schwester.

Neben der monatlichen GnRH- Injektion erhielten die Frauen regelmäßig synthetische Geschlechtshormone. Um Symptome der Menopause zu vermeiden, wie Hitzewallungen und Verlust der Knochendichte, nahmen sie sechsmal wöchentlich eine Östrogen- Pille. Um einer Hypertrophie der Gebärmutter vorzubeugen, wurde alle vier Monate mit Progesteron die Menstruation eingeleitet. Auch andere Auswirkungen der Hormonblockade konnten „erfolgreich“ von außen gesteuert werden: Als sich bei fünf Frauen eine verringerte Knochendichte zeigte, wurden Androgene gegeben. Als drei Frauen über eine trockene Vagina oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr klagten, wurde das bei zweien mittels erhöhter Östrogendosis beseitigt. Die dritte erhielt bereits eine höhere Östrogenration, so daß hier die MedizinerInnen den Grund dafür in einer veränderten Libido vermuteten. Auch ihr half eine kleine Menge Androgene.

Als besonderen Vorteil des derart außengesteuerten Hormonstoffwechsels betonen Spicer und Pike, daß die Frauen nun weitgehend befreit seien von den Folgen hormoneller Schwankungen ihres eigenen Stoffwechsels, wie Unpäßlichkeiten des prämenstruellen Syndroms (PMS), und nur noch dreimal pro Jahr menstruierten. Und da sich bei zwei der mit Kontrazeptiva behandelten Frauen eine verringerte Dichte im Brustgewebe zeigte, will man jetzt auf jeden Fall weitermachen. Gesucht wird nun, wie es heißt, nach einer praktischen „Depot-Formulierung der gesamten Verbindungen, die dann nur noch drei- oder viermal pro Jahr den Frauen verabreicht werden muß. Ute Sprenger