Feuer für die Katastrophe

■ „Die Literarische Reproduktion des Führerprinzips“

Die Frage nach der Literatur des Führer- und Männlichkeitsrausches ist natürlich auch die der Autorenperspektive. Denn kämen Mellors Worte aus dem Mund des durchgeknallten Körpersaft-Theoretikers in Kubricks „Dr. Seltsam“, hätten die Sätze sicher etwas Komisches. Aber Lady Chatterley's Lover (und Alter ego von D. H. Lawrence) glaubt ernsthaft an die Errettung der degenerierten Menschheit durch „phallische Erneuerung“. Er verströmt Blut-und- Hoden-Parolen über die naturgemäße Bestimmung der Frauen und würde armselige Fabrikarbeiter gerne aus ihrem unwerten Leben ins Jenseits befördern.

Wir wissen schon, es war eine bedenkliche Zeit, als Anfang der dreißiger Jahre der Abbruch des modernen Aufbruchs auf Hochtouren lief. Fast jede strahlende Dichtergestalt hat, ethisch gesehen, ihren Sprung im Heiligenschein: Gottfried Benn, Ernst Jünger, Wyndham Lewis, D. H. Lawrence, Ezra Pound und seine „Entdeckung“ T. S. Eliot. (Die Liste ist jederzeit verlängerbar.) Sie führten mehr oder weniger offen biologistische Argumente gegen die Vernunft ins Feld, geißelten den politischen und ästhetischen Liberalismus und strukturierten literarische Handlung gern in propagandistische Essayistik um. Von der Dominanz klassischer Monumentalformen, Zucht und Ordnung in Kunst und Staat, männlicher Erfüllung im Schlachtfeld und der Degradierung der Frau zum Begattungsobjekt versprachen die Autoren sich und ihren Lesern die Harmonisierung der zerfetzten Wirklichkeit. Im Schulterschluß mit den Führerfiguren Mussolini und Hitler auch selbst endlich zu wachsen war wesentliche Triebfeder der Autoren. Und während sie das Desaster des Ersten Weltkrieges wegfegen wollten, feuerten sie die nächste Katastrophe mit an.

Das alles ist ein Phänomen, an dessen Analyse die Literaturwissenschaft seit Jahrzehnten arbeitet. Und jetzt, wo der geistige Wind wieder von rechts weht, ist es wichtig, die geistigen Steigbügelhalter des Faschismus aus den Hörsälen an die Öffentlichkeit zu bringen. Doch Eva Hesses Erinnerung an diese Herrenrassen-Dichter hält sich leider zu sehr beim Zitat auf. Eine Analyse der manipulierenden Erzählstrukturen unter dem inhaltlichen face value, die Fragen nach dem „autoritären Charakter“ der Verfasser stellt, wäre doch sehr aufschlußreich. Gaby Hartel

Um 21 Uhr bei hr 2 und SDR