Konfusion im Sambadrom

■ Jenseits von Bahia: Latinogruppen im Dutzend beim 9. Bremer Karneval

Karneval braucht Musik, die von den Ohren direkt in die Beine geht. Wie sonst sollten ein paar tausend BremerInnen mitten im Februar einen dreistündigen Umzug ohne abgefrorene Füße überleben? Und was ginge besser in die Beine als der kreisrund treibende Zwei-Viertel-Takt brasilianischer Straßenmusik? Was würde das Auge unter dem graublauem Bremer Himmel besser wärmen als ein Aufzug in Flammenkostümen unter pelzig hochtoupiertem Kopfputz? Und was das Herz besser massieren, als in Begleitung unfaßbarer Maskenfiguren durch die Menschenmenge zu schieben? Zum 9. Mal hat der Bremer Karneval am Samstag für solche Winterwärme gesorgt, und das mit mehr Aktiven und mehr Publikum und einer noch immer nicht so hohen Kluft dazwischen.

Doch der Bremer Karneval ist mehr als nur ein Umzug. In der Nacht danach verwandelt er den Schlachthof zum Bremer Sambadrom. Ein gutes Dutzend Samba-Gruppen aus halb Deutschland ließen diesmal hören, was sie aus Brasiliens Musiktradition machen. Da gibt es viele fröhliche Anfänger. Und es gibt Nachahmer, die trommeln die Batucada wie in Rios Stadtteilen oder auf den heißen Straßen von Bahia.

Die besten von ihnen heißen „Pimenta Malagueta“ (roter Pfeffer), kommen aus Köln und nennen sich „Samba Schule“. Ihre Musik mit geschlossenen Augen gehört, verwandelt die Tribüne der Schlachthof-Kesselhalle unter tausend tanzenden Füßen in die Ränge des Sambadroms. Am Samstag hatten sie den größten Applaus, zwei Stunden lang brachten sie den Ball in Fahrt. Dann gibt es Gruppen wie Hamburgs „Tuten und Blasen“, die Samba nur als eine Musik unter vielen spielen. Neben klassischen Jazz-Stücken hatte das 14köpfige Bläser- und Perkussionsensemble am Samstag auch karibisches und hamburgisch Selbstkomponiertes im Programm. Und schließlich gehört zum Bremer Karneval von Anfang an auch „Confusão“, Bremens erste Samba-Gruppe.

Unter der Leitung von Willi Daum, dem inzwischen nach Berlin abgewanderten Musiker und Komponisten, hat sich die halbprofessionelle Gruppe ein Repertoire erarbeitet, das über klassischen Samba weit hinausgeht. Zusammen mit zwei Klarinetten und einem Baß knüpften sie im Schlachthof eigenartige Klanggewebe, die in keine der gängigen Musikschubladen passen wollen. Neben einer Don-Cherry-Bearbeitung zeigte Confusão vor allem an dem Stück von Willi Daum, „Eine Afrikanerin in Bremen“ ihr Können. Unter einem scheinbar ganz einfachen Vier-Viertel-Glockenrhythmus entstehen Perkussions-Figuren im Drei-Viertel und Sechs-Viertel-Takt, die sich ineinander verschieben, verdrehen und wieder entwirren. Eine Musik, die beim Tanzen die Beine schnell verknotet.

Außer denen von Janine Jaeggi, Martin und Susanne Sasse. Sie bringen Confusão auf der Bühne zum Tanzen. Doch auch hier gibt es Verwirrung, schimmert doch an mancher Stelle unter den flinken Samba-Schritt ein cooler Rap durch. Confusão, Verwirrung: Ihr Name ist Programm im Bremer Karneval.

Dirk Asendorpf