Die Demokratie militant verteidigen

■ Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, freut sich über die Entscheidung und will am 20. April auch ins Stadion gehen

taz: Herr Bubis, was halten Sie von der Entscheidung, das Fußballspiel nun doch stattfinden zu lassen – und zwar in Berlin?

Ignatz Bubis: Ich finde es gut, daß es stattfindet, und es ist mir auch egal, wo. Die Absage fand ich schrecklich, und es hat mich gefreut, daß Berlin dieses Spiel haben wollte.

Wieso fanden Sie die Absage so schrecklich?

Der 20. April ist ein Tag wie jeder andere. Ich halte es für eine Kapitulation des Staates, wenn er ein Fußballspiel absagt, nur weil jemand Drohungen, egal gegen wen, ausspricht.

Theoretisch haben Sie sicher recht. Aber geht man mit dieser Argumentation nicht zu einfach über die bundesdeutsche Realität hinweg? Ist eine solche Argumentation nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Neonazis solche Ereignisse tatsächlich für sich zu nutzen wissen?

Nein, nein. Wenn die einen solchen Tag nutzen wollen, muß man das bekämpfen. Es ist die Aufgabe aller Demokraten, aber auch des Staates, das zu bekämpfen. Stellen Sie sich vor, die sagen morgen: Wir machen den 9. November 1923 (Marsch auf die Feldherrenhalle, d. Red.) zum Gedenktag. Und dann soll man sagen: Gut, damit nichts passiert, akzeptieren wir das? Der Staat hat eine Verantwortung, und eine Demokratie muß verteidigt werden, auch militant verteidigt werden.

Wie schafft es der demokratische Staat, jene, die faschistische Symbole einsetzen, zu marginalisieren?

Das ist ein anderes Kapitel, daß der Staat seine eigenen Symbole in den Vordergrund stellen muß. Dafür plädiere ich schon lange. Man kann die derzeitige Angst im Umgang mit den Neofaschisten auch anders zuspitzen: Vor lauter Angst vorm Sterben begehen wir Selbstmord. Man muß die Nazis immer bekämpfen, nicht nur am 20. April.

Werden Sie zu dem Spiel gehen?

Da ich Fußballfan bin, werde ich bestimmt hingehen. Interview: Julia Albrecht