Herr S. und ein Volontär

■ Sportjournalist verklagt St. Pauli-Fan-Magazin „Übersteiger“ auf Schmerzensgeld, weil er als Schwuler dargestellt wurde

Schwule und Fußball? Es ist ein weitverbreitetes Vorurteil, daß beides nicht zusammenpassen soll. Selbst unter den sich weltoffen gebenden St. Pauli-Fans sind am Millerntor immer wieder schwulenfeindliche Parolen zu hören. Ihr Fanmagazin „Der Übersteiger“ veröffentlichte im September 1993 einen Text der gleichen Qualität.

Auf einen scharfen Kommentar des Sportjournalisten S. in einer Hamburger Tageszeitung reagierte der Übersteiger-Autor mit einem Schlag unter die Gürtellinie: „Der neue Volontär, dieses Ferkel, hat doch glatt 'ne Frau als Freundin“, schrieb er. Soll heißen: Der gemeine Kommentar von S. beruht auf schlechter Laune, und die wiederum liegt an der sexuellen Unerreichbarkeit des Redaktionsvolontärs. Reichlich verklausuliert das Ganze. Gemeint ist aber wohl: S. ist schwul.

Nun hätte bei der kleinen Auflage des Fan-Blattes (3500 Exemplare) und der Verwendung von S.'s Zeitungskürzel statt seines Namens wohl kaum ein Hamburger Notiz von diesem vermeintlichen Outing genommen. Aber S. wollte den Satz nicht stehen lassen. Eine gütliche Einigung scheiterte laut „Übersteiger“ an der Kostenfrage für den Anwalt von S. Die Klage schob den Vorfall nunmehr in die Öffentlichkeit. Gestern fand vor dem Amtsgericht die Verhandlung statt.

„Wer hart austeilt, muß hart nehmen können“, kommentiert Richter Dierk Müller-Fritsch den Übersteiger-Schmäh. Das vermeintliche Outing allerdings geht ihm zu weit. „Da, wo es um Fußball geht, jemanden als Schwulen darzustellen, ist ein empfindliches Schmerzensgeld wert“, sagt er den Beklagten und rät zu einer kostengünstigeren gütlichen Einigung.

„Es ist uns unangenehm, jemanden in dieser Form anzugreifen. Wir wollen uns entschuldigen“, erklärt nach kurzer Beratung mit den zahlreich vertretenen Mitstreitern Sven Brux, der für den Übersteiger verantwortlich zeichnet. Auf den Vorschlag des Richters, sich zwischen 3000 und 4000 Mark Schmerzensgeld zu einigen, geht er aber nicht ein. Es handele sich um ein Ehrenamtlichenprojekt. Bei so einer Summe sei „Feierabend für die Zeitung“. Außerdem fühle er sich unschuldig, es sei ihm „einfach so durchgerutscht“. Sollten S. und die „Übersteiger“ sich nicht doch noch einigen, wird am 7. März das Urteil verkündet. Werner Hinzpeter