■ Standbild
: Education-Opfer

„Spiegel TV: 30 Jahre Aufklärung“, Mi., 21.55 Uhr, Vox

Es sollte darum gehen, ob wir nach 30 Jahren Aufklärung eigentlich etwas dazugelernt haben. Sinnigerweise hatte die „Spiegel-TV“-Redaktion für diesen Abend zwei Menschen geladen, die schon aus wirtschaftlicher Notwendigkeit seit Jahren nichts mehr dazulernen wollen. Immer noch läßt sich Oswalt Kolle seine Predigten gegen die frauenfeindliche „Missionarsstellung“ honorieren, und die Pfarrersgattin Elisabeth Motschmann bessert ihr Haushaltsgeld seit geraumer Zeit damit auf, den minirockbewehrten Moralapostel zu spielen.

Was sich Hellmuth Karasek von seinem dritten Gesprächsgast erhoffte, war also klar: Rebecca Siemoneit-Barum, besser bekannt als Iffi Zenker aus der „Lindenstraße“, sollte als 15jähriges Education-Opfer der sexuellen Revolution zu ihrer Befindlichkeit in Sachen präpubertäre Begattung befragt werden. Und wirklich erklärte die junge Dame unumwunden, sie sei „eigentich durch das Leben aufgeklärt“ worden. Man höre so dies und das auf der Straße, in den Schulpausen, und dann sei da ja auch noch das so „entspannte Verhältnis“ zur Mutter. Aufklärungsbroschüren wie das derzeit so umstrittene rheinland-pfälzische Faltblatt „Let's talk about sex“ brauche sie da nicht mehr.

Das alles hörte sich hübsch befreit an, und alle Motschmann- geschädigten Libertinisten legten sich schon voreilig (selbst-)befriedigt in die Sofaecke zurück, da stellte sich plötzlich heraus, daß der wohlerzogenen Zirkustochter Worte wie „Arschficken“ gar und gar nicht über die Lippen kommen wollen.

Aber statt daß sich die Runde nach dieser erschreckenden Enthüllung nun auf die Frage konzentriert hätte, was eigentlch nach dreißig Jahren Kolle aus Deutschlands Schulhöfen geworden ist, entknotete Elisabeth Motschmann nun kämpferisch ihre bisher zweimal überschlagenen Beine: „Wer roh redet, handelt auch roh“, erklärte sie und gedachte dabei natürlich auch der Opfer von Rostock.

Viel erquicklicher, vielleicht sogar aufklärerischer, wäre es sicher gewesen, wenn Karasek einfach die Broschüre selbst vorgetragen hätte. Denn diese Modulation in seiner Stimme, als er wörtlich zitierend erst das schöne Wort „Analverkehr“ und dann wenige Erregungssekunden später die drastische Variante „Arschficken“ aus seinem Mund fließen ließ – das, ja das war endlich wirklich sexy. klab