Mobile Schüssel

■ Wie sich der britische Soldatensender BFBS verändert

BFBS ist nicht nur britisches Soldatenradio und Kultsender für Independent-Freaks, sondern bald auch Militärrundfunk „aus dem Koffer“.

Was der Nachkriegsgeneration im Hamburg der 40er und 50er Jahre die Jazz- und später die Soulprogramme auf BFBS waren, sind den Enkeln die „John Peel Sessions“: musikalische Spartenprogramme an einem Ort, an dem man sie vielleicht am wenigsten erwarten würde, auf einem militärischen Servicekanal.

BFBS, der British Forces Broadcasting Service (früher BFN), englischer Militärradiosender mit deutscher Sendezentrale in Herford, feierte vor kurzem seinen 50. Geburtstag. Vor einem halben Jahrhundert in Algier von drei Soldaten vor einem Mikrophon als experimental service erstmals auf Sendung geschickt, ist BFBS heute zu einem weltweit operierenden Network mit modernster Satellitentechnologie und einem weitverzweigten KorrespondentInnennetz herangewachsen.

Tony Davis, „Senior Programme Director“ in der deutschen Sendezentrale in Herford, gerät vornehm britisch ins Schwärmen, nicht wenn er an die „guten alten Zeiten“ zurückdenkt, sondern wenn er einen Blick in die Zukunft von BFBS wagt. Seit der Einrichtung der ersten BFBS-Station auf deutschem Boden (Hamburg 1945) gilt „räumliche Flexibilität“ als oberstes Gebot des Senders. Lokalstationen in Dortmund und Bielefeld wurden vor kurzem geschlossen, bei BFBS-Berlin werden am 15. Juli dieses Jahres die „On-air“-Lampen ausgehen. Ab Frühjahr wird BFBS aus Gütersloh senden. Schattengleich zu Truppenverlegungen und -bewegungen öffnet und schließt der Sender seine Lokalstationen. Ein Radioprogramm, das mit der Truppe umzieht.

Möglicherweise steht diese auffallende Mobilität aber im krassen Gegensatz zur tatsächlichen geographischen Verteilung des BFBS- Publikums in Deutschland. Statistisch gesehen, sind die eigentlichen Adressaten des Programms, britische Militärs und deren Angehörige, nämlich das kleinste Publikumssegment. Zwischen Holland, Belgien und der polnischen Grenze in West-Ost-Richtung und zwischen Hamburg und Trier auf der Nord-Süd-Achse gibt es rund sieben Millionen potentieller BFBS-HörerInnen, davon nur etwa 200.000 BritInnen.

Beliebt sind beim zivilen Publikum neben den britischen Charts und den „Top 40“ vor allem die eingangs erwähnten Spartenprogramme. So präsentiert der britische Independent-„Papst“ John Peel Samstagabends seine Underground-orientierten „John Peel Sessions“, ab und an auch mit deutschen Bands. Ausgewiesene Soul- und Reggae-Experten moderieren am Wochenende musikalische Spartenprogramme mit Dancefloor-Neuheiten von der Insel, nach denen man in der deutschen Formatradiolandschaft lange suchen muß.

Eine weitere Besonderheit, auf die Programmchef Davis hinweist, ist die Tatsache, daß bei BFBS – im Gegensatz zum American Forces Network (AFN) – vorwiegend Zivilisten beschäftigt sind. RedakteurInnen und ReporterInnen kommen von britischen Kommerzradios, von der BBC oder werden bei den deutschen Lokalstationen des Senders als VolontärInnen ausgebildet. Der vom britischen Verteidigungsministerium vollfinanzierte Sender wird von Zivilisten organisiert.

Auf die Frage nach dem Programmauftrag macht Davis aber unmißverständlich klar: „Die Versorgung britischer Soldaten mit britischen Programmen. Und das, solange ein Militär in Deutschland ist.“ Auf den Einwurf, daß dies ja unter Umständen gar nicht mehr so lange der Fall sein wird, entwirft der Programmdirektor ein Szenario bezüglich zukünftiger Aufgaben des Senders. Die veränderte politische Großwetterlage in Europa und die neuen globalen Militärkonzepte der westlichen Staaten werden das Gesicht des britischen Soldatenradios vollständig verändern.

An die Stelle der traditionellen, festinstallierten Lokalstationen (Davis: „Made of bricks and solid“) werden kleine, mobile und hochtechnisierte Übertragungs- und Empfangseinheiten treten. Mit Hilfe der Satellitentechnologie und kleiner, transportabler Stationen wird das Programm den Truppen überallhin folgen, unabhängig von der Dauer und der Art des Einsatzes. Tony Davis gibt Beispiele: Wenn die britische Armee in diesem Jahr ein einmonatiges Trainingscamp in Suffield/Kanada einrichten wird, dann wird es dort eine satellitengestützte Versorgung mit BFBS-Programmen geben. Und wenn im Frühjahr in Norwegen ein ein bis zwei Monate dauerndes britisches Manöver stattfindet, dann wird BFBS mit dabeisein.

Auf gewisse Weise erinnert diese Entwicklung an die Anfänge des Senders: portabler Militärfunk für Truppen im Kampfeinsatz (oder im simulierten Kampfeinsatz). Die Devise für die Zukunft: schnelles Eingreifradio für schnelle Eingreiftruppen. Gunter Becker