Versammlung der Industrie-Lobbyisten

■ Privatwirtschaftler im Aufsichtsrat der Deutsche Bahn AG

Die Gründungsurkunde der Deutsche Bahn AG (DB AG) ist unterzeichnet. Hundert Prozent der Bahn-Aktien hält – noch – der Bund, aber nur die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder kommen von dort. Fünf der zehn Posten einschließlich des Aufsichtsratsvorsitzenden besetzte die Bundesregierung mit Männern der Privatwirtschaft.

Da ist einmal Hermann Krämer, Mitglied des gemeinsamen Beirates des Versicherungsriesen Allianz und Vorstandsmitglied der Veba AG. Die Veba-Tochter Stinnes (Schenker) gehört zu den größten und bestverdienenden Spediteuren Europas. Für einen Interessenausgleich mit den großen Speditionen dieses Landes sorgt auch der Bahn-Aufsichtsrat Friedel Neuber, im Hauptberuf Chef der WestLB. Er sitzt auch im Aufsichtsrat der Viag AG, die mit der Tochtergesellschaft Kühne & Nagel ebenfalls im Speditionsgeschäft engagiert ist. Unterstützung erhält die Fraktion der Spediteure im Bahn-Aufsichtsrat auch von Bahn- Chef Dürr und Vorstandsmitglied Norbert Kern, die sich in den Aufsichtsräten von Stinnes beziehungsweise Schenker-Rhenus tummeln.

Hermann Franz ist Aufsichtsratsvorsitzender von Siemens, er sitzt im Aufsichtsrat von Thyssen und stieg im letzten Jahr in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank (und der Allianz) auf. Siemens, Thyssen und die Deutsche Bank wollen sich an der Magnetschwebebahn Transrapid eine goldene Nase verdienen. Obwohl verkehrspolitisch völlig unsinnig, gelang es dennoch, Milliardensummen in Bonn für das Projekt lockerzumachen. Der Bund übernimmt im Rahmen der Bahnreform also nicht nur die Altschulden, er wird auch in Zukunft die Degradierung der Bahn zur Großkundin für die Bahnindustrie finanziell mittragen. Freidel Neuber komplettiert als Aufsichtsrat der Krupp AG die Interessengruppe, die mit Bahntechnologie wie dem ICE ihr Geld verdienen.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Bahn, Günther Saßmannshausen, ist ein Vertreter der Automobilindustrie und der Mineralölwirtschaft. Denn er sitzt im Aufsichtsrat von Volkswagen, des Reifenherstellers Continental und der Deutschen Shell AG. Nebenbei finden wir ihn auch in den Beiräten der Dresdner Bank, der Allianz und der WestLB. Der fünfte Privatwirtschaftler im Bahn-Aufsichtsrat, Helmut Maucher, zeichnet sich durch seine Mitgliedschaft im „Internationalen Beraterkreis“ der Allianz aus. Die Allianz ist an so verschiedenen Unternehmen wie der Speditionsmutter Veba und der im Straßenbau aktiven Hochtief beteiligt.

Von den fünf Bundesvertretern finden wir gleich drei im Aufsichtsrat der Deutschen Lufthansa beziehungsweise der Lufthansa Commercial Holding. Neben dem Straßenverkehr und der Binnenschiffahrt (durch die Veba) ist also auch die Luftfahrt vertreten. Es wäre jedoch falsch, den Aufsichtsräten Lobbyismus etwa ausschließlich für die Automobilindustrie oder für die Speditionen zu unterstellen. Denn als Multiaufsichtsräte und Vertreter der deutschen Geldelite haben sie das Wohl aller Großkonzerne im Auge. Umweltpolitik spielt dabei keine Rolle. Henrik Paulitz

Der Autor ist Mitarbeiter der Umweltschutzorganisation Robin Wood