Striptease mit Schrubber

Der Tag, an dem die taz mir einen Putzmann schickte / Die erste deutsche Nacktreinigungs-Agentur „Romeo Cleaners“ im Selbstversuch  ■ Von Micha Schulze

Wenn es morgens um neun an der Wohnungstür klingelt, stelle ich mich für gewöhnlich taub; entweder ist's der Hauswart mit der Mieterhöhung oder ein freundlicher Herr, der mir ein Abonnement der Freizeit Revue aufschwatzen will. Heute mache ich eine Ausnahme, denn vor der Tür steht mein „Romeo Cleaner“. In der einen Hand eine Plastiktüte, in der anderen den Auftragsschein, der mich als 53. Kunden von Deutschlands erster „Nacktputzagentur“ ausweist. Und den hatte ich schließlich im Auftrag der taz bestellt. Obwohl meine Wohnung so dreckig nun auch wieder nicht ist. Allerdings, wenn ich mir Herd und Küchenboden genauer anschaue, kommt der Romeo Cleaner auch nicht ungelegen. Honorarzahlung in Naturalien, wenn man so will.

„Neunundneunzig Mark neunundneunzig“, sagt der Romeo Cleaner. Cash. Einen Blauen für anderthalb Stunden Putzen? Da war die jugoslawische Putzfrau, die ich damals mit Linda und Hansi in der Charlottenburger WG hatte, billiger! Und im voraus zu zahlen, das erinnert irgendwie an einen Callboy, obwohl die Romeo Cleaners gerade „mit diesem Milieu nichts zu tun haben“ wollen, wie Geschäftsführer Ralf Knuth versichert. „Allerdings ist Sex nicht ausgeschlossen, wenn der Kunde und der Reiniger das privat vereinbaren“, fügt er hinzu. Und so haben mein Freund und ich vorsorglich den jüngsten, kleinsten und schlankesten Putzboy bestellt.

Der Romeo Cleaner vor meiner Wohnungstür hört auf den Namen Chris, ist angeblich 23 Jahre alt und sieht aus wie 40. Er geht leicht gebückt, hat schmale Schultern, eine fürchterlich große Nase, einen Bauchansatz und überdies einen Schnurrbart. So haben wir ihn uns wirklich nicht vorgestellt! Doch Umtauschen geht nicht, und wer weiß, ob das nächste Modell unsere Ansprüche besser erfüllen würde. Chris kommt unterdessen von allein auf die Idee, sich „umzuziehen“.

Es war zudem gar nicht leicht gewesen, den Termin gestern morgen zu bekommen. Die Anfang November gegründeten „Heinzelschwänzchen“ (Prinz), offiziell eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, können sich vor Telefonanrufen nicht retten. Derzeit müssen sie allerdings mehr zum Mikrofon als zum Schrubber greifen – Berliner Rundfunk, Sat.1 und Fritz! sind bereits vorstellig geworden. Geschäftsführer Ralf Knuth kann sich den Medienansturm nicht erklären: „Ich habe die Idee aus den USA mitgebracht, dort ist das Nacktputzen seit Jahren selbstverständlich.“

Nur mit graugewaschenen Tennissocken und einem winzigen goldenen Tanga bekleidet, watschelt Chris in die Küche. Während mein Freund und ich genüßlich frühstücken, soll er zuerst das Fensterbrett und dann den Herd putzen. Wenn es schon nichts zum Gucken gibt, dann macht es wenigstens Spaß zu befehlen. Meine Mutter bekäme freilich einen Herzinfarkt, könnte sie Chris beobachten. So dämlich dürfte selbst ich mich mit sechs Jahren nicht angestellt haben: Umständlich räumt der Romeo Cleaner Gießkannen und Vogelkäfig hin und her, wischt dreimal über dieselbe Stelle, um dann den dreckigen Blumentopf genau darauf zu stellen. Und die ganze Zeit plappert er belangloses Zeug! Auf diese Weise ist Chris schon nach einer halben Stunde mit dem Fensterbrett fertig.

Es klingelt erneut, und herein stürmt mein schwuler Kneipengefährte Klaus. Er wolle mich zum Frühstück besuchen, weil er, wie er sagt, „gerade in der Nähe war“ – am Tag zuvor hatte ich ihm vom Termin mit dem Romeo Cleaner erzählt. Klaus, der schon über vierzig ist und deshalb nicht schüchtern, bittet Chris denn auch prompt, den Tanga auszuziehen: „Schließlich heißt es Nacktputzagentur.“ Der Tanga fällt, doch auch darunter ist nicht viel zu entdecken. „An den Po fassen ist erlaubt“, sagt Chris. Wir haben kein Interesse.

„Gute Mitarbeiter zu finden ist schwer“, stöhnt Ralf Knuth, „zur Zeit fehlen uns ein Bodybuilder und Jungs mit blonden Haaren.“ Obwohl freischaffende Putz- und Stripmänner von den hundert Mark siebzig behalten dürfen, sei die Zahl geeigneter Bewerber gering. „Man braucht einen kleinen Hang zum Exhibitionismus und einige Erfahrungen auf dem sexuellem Gebiet“, umschreibt Knuth die Anforderungen. Zum Berufsalltag gehörten auch der regelmäßige Besuch eines Solariums und eine gesunde Ernährung. Bei Chris, der sich sein Elektrotechnik-Studium mit Nacktputzen finanzieren will, ist davon nicht viel zu sehen. Um zehn Uhr, außer dem Fensterbrett hat der Romeo Cleaner jetzt auch den Herd geschafft, lassen wir Chris allein in der Küche zurück, damit er wenigstens noch den Boden schafft. Klaus, mein Freund und ich verziehen uns ins Arbeitszimmer und lesen derweil die Zeitung. Wann sind wir den Kerl endlich los?

Unter den Kunden falle ich ein wenig aus der Reihe, beruhigt mich Ober-Cleaner Knuth: „Die Mehrzahl sind einsame homosexuelle Herren, denen es weniger ums Putzen geht als ums Unterhaltenwerden.“ Dagegen stellten sich die weiblichen Kunden vor allem als Geschäftsfrauen heraus, die sich zum Feierabend entspannen wollen. Auf jeden Fall sind die Kunden auf Diskretion bedacht. Kein Putzmann-Spanner hat sich bereit erklärt, anonym mit dem taz-Reporter zu reden. „Dabei sind unsere Auftraggeber viel anständiger, als wir erwartet hatten“, weiß Ralf Knuth. Lediglich ein Herr, der dem Anblick des nackten Putzers nicht mehr gewachsen gewesen sei, habe sich einmal diskret ins Schlafzimmer zurückgezogen und sich dort Erleichterung verschafft.

„Ist doch ein bißchen sauberer als vorher, oder?“ Lächelnd huscht mein Romeo Cleaner um punkt halb elf aus der Küche, schlüpft wieder in seine Klamotten, und schon ist er mitsamt Plastiktüte aus meiner Wohnung verschwunden. Auf dem Küchenboden liegen nach wie vor die abgefallenen gelben Blätter der Bergpalme, der Gasherd ist mit einer dicken Ata- Kruste verschmiert, im Vogelkäfig sind Wasser- und Futternapf umgefallen, und den dreckigen Putzlappen finde ich mitten im Brotkorb. Für die hundert Mark hätte ich drei polnische Putzfrauen haben können, eine blitzblanke Wohnung und einen vergnüglichen Abend in Tom's Bar. Hätte.

Einen Romeo Cleaner kann man unter der Telefonnummer 335 78 46 bestellen.