Privatbahn für Zuckerrüben und Pendler

■ Im „Nassen Dreieck“ hat die EVB alte DB-Gleise wieder in Betrieb genommen Von Dirk Asendorpf

Rund 2100 Fahrgäste täglich sind die bundesweit ersten NutznießerInnen der Bahnprivatisierung. Sie reisen in modernen Triebwagen auf einer von der Bundesbahn schon vor Jahren stillgelegten Nebenstrecke zwischen Bremerhaven und Hamburg, die im September 1992 an die private „Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Weser-Elbe“ (EVB) übergeben und ein Jahr später wiedereröffnet worden ist. Diese Fahrt auf dem direkten Weg ist weit billiger und etwas schneller als der Bundesbahn-Weg über Bremen - und das, obwohl aus technischen Gründen die EVB-Triebwagen nur mit Tempo 80 durch das „Nasse Dreieck“ im äußersten Nordniedersachsen zuckeln dürfen.

Möglich war die Wiederinbetriebnahme der alten Bahngleise allerdings nur durch eine Starthilfe in Millionenhöhe. Die Bundesbahn steuerte 20 Millionen und das Land Niedersachsen 28 Millionen Mark vor allem aus EG-Mitteln bei. Alle Gleise, Bahnhöfe und technischen Einrichtungen hat die Bundesbahn für eine Mark plus Mehrwertsteuer an die EVB „verkauft“. Lokomotiven und Waggons mußte die EVB dagegen selber angeschaffen, Güterzüge werden meist je nach Bedarf bei der Bundesbahn gemietet.

Trotz dieser Anschubfinanzierung kann das neue Bahnunternehmen mit seinen rund 150 Angestellten noch nicht kostendeckend arbeiten. Der Grund dafür liegt allerdings nicht im Personenverkehr, dessen zuvor gutachterlich ermitteltes Potential bereits heute weitgehend ausgeschöpft ist. Ursache für die in diesem Jahr noch entstehenden roten Zahlen ist ein Konflikt mit dem Hamburger Senat.

Der nämlich weigert sich bisher partout, der EVB die Genehmigung für den geplanten Pendelverkehr eines Containerzuges zwischen den Häfen von Hamburg und Bremerhaven zu erteilen. Rund 75.000 Container pro Jahr könnten damit von der hoffnungslos überlasteten Landstraße auf die Schiene verlegt werden. Doch Hamburg fürchtet, daß dieses Angebot einzelne Reedereien dazu verleiten könnte, ihre eigentlich für Hamburg bestimmte Ladung lieber an der direkt am offenen Meer gelegenen Bremerhavener Kaje umzuschlagen. Auf einem inzwischen zurückgezogenen Werbefaltblatt der „Bremer Lagerhausgesellschaft“ war tatsächlich gezielt dafür geworben worden.

Alle Interventionen und Verhandlungen der Bremer und Niedersächsischen Minister mit ihren Hamburger Kollegen konnten an der starren Hamburger Haltung bisher nichts ändern. Selbst das Angebot, für den Container-Zugverkehr eine feste Kapazitäts-Obergrenze festzulegen, half bisher nichts. Einen Hoffnungsschimmer gab es für die EVB lediglich während der rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Hamburg, da sich die dortigen Grünen vehement für die Verlagerung des Containerverkehrs zwischen den beiden norddeutschen Häfen auf die Schiene eingesetzt hatte. Doch in der inzwischen abgeschlossenen rot-grauen Koalitionsvereinbarung wird diese Frage nicht mehr erwähnt.

So bleibt der jungen EVB im Güterverkehr bisher nur die Zuckerrübe. Sie ist das mit Abstand wichtigste Agrarprodukt des „Nassen Dreiecks“. Doch außerhalb der Rübensaison liegen die Gütertransport-Kapazitäten brach, und die kalkulierten Einnahmen aus diesem Geschäft fehlen am Ende in der Bilanz.

Aufrechterhalten wird der Betrieb deshalb nur durch die laufenden Zuschüsse der Kommunen, die an der Strecke liegen und von der EVB bedient werden. Für die kleinsten Gemeinden sind das einige tausend Mark im Jahr, für die größeren bis zu 200.000.

Und über diese Zuschüsse gibt es bis heute durchaus Streit. So ist erst im Oktober diesen Jahres der Oberkreisdirektor des Kreises Rotenburg, Gerhard Blume, als Vorsitzender der EVB zurückgetreten, weil er nicht mehr an den Erfolg der neuen Regionalbahn glaubt. „Selbst wenn wir den Containerverkehr bekommen, werden wir damit das Defizit im Personennahverkehr nicht ausgleichen“, sagte er auf einer Kreistagssitzung. Die Investitionen für die Wiederinbetriebnahme der stillgelegten Bundesbahn-Gleise hätte nicht passieren dürfen, ohne zuvor die Finanzierung auch im Güterverkehrsbereich sicherzustellen. „Es gibt in dieser gesamten Diskussion einen Überschuß an Glauben und Hoffnung“, rief der Oberkreisdirektor dem kleinen Parlament zu.

Das blieb in der anschließenden Abstimmung aber bei der Überzeugung, daß die EVB-Übernahme des Schienenverkehrs sinnvoll war und auch in der Zukunft vom Landkreis mitfinanziert werden soll. Das Protokoll verzeichnet Zustimmung von der CDU bis zu den Grünen.

Eine kleine Verbesserung wird bereits der nächste EVB-Fahrplan für die 2100 täglichen PendlerInnen zwischen Bremerhaven und Hamburg bringen. Der Stundentakt wird dann so verschoben, daß sich in Bremerhaven ein direkter Anschluß an den Bundesbahn-Zug nach Bremen ergibt. Das war im ersten Fahrplan noch nicht möglich, da die EVB auf dem letzten Streckenabschnitt vor dem Endbahnhof in Hamburg-Neugraben Gleise der Bundesbahn benutzen muß. Und dafür hatte der Staatskonzern der kleinen Privatbahn nur ein enges „Zeitfenster“ zugestanden, das jetzt nach längeren Verhandlungen so verschoben werden kann, daß es zu den Anschlüssen in Bremerhaven paßt.