Speedy sagt adios

Steffen Fetzner nabelt sich endgültig vom siamesischen Doppelpartner Jörg Roßkopf ab  ■ Von Peter Unfried

Karlsruhe (taz) – So ist das eben im Leben: Wenn einer geht und der andere bleibt, klagt zumeist letzterer. Da macht auch der Tischtennis-Europameister Jörg Roßkopf, 24, keine Ausnahme. „Akzeptieren“ müsse er den für die neue Saison ins Haus stehenden Wechsel seines langjährigen Freundes, Wohnungs- und Vereinsgenossen weg von Borussia Düsseldorf und hin ins ferne Berlin zu Hertha 06, „verstehen“ aber könne er Steffen Fetzner nicht. Jener wiederum sagt, daß der andere „klar nicht glücklich“, im Gegenteil, „enttäuscht“ sei, und ihn daher „im ersten Augenblick“ nicht habe verstehen können. Aber, „wenn er ein ähnliches Angebot gekriegt hätte, weiß ich nicht, wie er reagiert hätte“.

Hat er aber nicht. Oder jedenfalls ist davon nichts bekannt. Dafür bekam Fetzner, im Doppel Weltmeister, Europameister, Olympiazweiter von Barcelona, aber immer nur der nette Bursche neben dem großen Rossi, plötzlich eine Offerte, die „dementsprechend gut war, daß ich gesagt habe, die muß ich annehmen“. Der Berliner Bundesligaaufsteiger Hertha 06 und sein geldgebender Manager Thomas Friese peilen mit Fetzners Hilfe für die nächsten Jahre die europäische Spitze an. Der schwedische Ex-Weltmeister Jörgen Persson spielt bereits für Hertha, mit Torben Wosik (Steinhagen) ist seit Mittwoch auch ein starker dritter Mann gefunden, trainiert wird das Team vom tatsächlich legendären Schweden Stellan Bengtsson, Weltmeister der frühen Siebziger. „Das“, sagt Fetzner, „hat vielleicht auch den Ausschlag gegeben: daß in Berlin ein Trainer ist, der mich noch ein paar Plätze nach vorn bringen kann.“

Derzeit ist er die Nummer 13 Europas, knapp, aber doch draußen vor der Top-12-Tür, und das, weiß er selbst, spiegelt auch in etwa sein Leistungsvermögen wider. Muß es. Während der ein Jahr jüngere Roßkopf in den EM-Titel vom vergangenen Jahr bereits sechzehn Jahre Hochleistungssport investiert hatte, begann Fetzner „relativ spät“, erst mit zwölf, dreizehn, richtig zu trainieren. „Ich denke“, sagt er vorsichtig optimistisch, „um da ganz nach vorne zu kommen, wird es für mich ganz schwer.“ Realistisch: unmöglich. Die fünfzehn Jahre, die man laut DTTB-Cheftrainerin Eva Jeler dazu braucht, hat der Fünfundzwanzigjährige noch längst nicht geschuftet. Andererseits machen sich aber vom pausenlosen Spielen die üblichen Abnutzungserscheinungen bemerkbar. Im Sommer machte das Knie nicht mehr mit, und Steffen Fetzner kam die Erkenntnis, „daß es im Leistungssport ganz schnell anders aussehen kann“. Folglich muß man schauen, daß man mitnimmt, was zu kriegen ist. „Man darf da nicht zuviel Rücksicht auf andere nehmen.“ Selbst wenn es sich um alte Freunde handelt.

Andererseits: Die Zeiten, als Rossi und Speedy unzertrennlich waren, sind nun wirklich längst vorbei. Dieser Tage ist Fetzner Vater einer Tochter geworden, im Sommer wird er mit der Familie nach Berlin übersiedeln. Auch wenn er behauptet, daß die Stadt auf ihn nicht ihren spezifischen Reiz ausübe, schätzt er doch, daß es „vielleicht schöner ist, in Berlin zu leben als in Ochsenhausen“. Wo auch Tischtennis gespielt wird. Im Gegensatz zu der in der Liga auch bei mittelklassigen Spielern weitverbreiteten Ex- und Hopp-Mentalität, dem Anreisen an Spieltagen, will Fetzner offensichtlich einen neuen Lebensabschnitt beginnen, weg vom Düsseldorfer „Zuhause“: Neuer Verein, neuer Trainer, Neue Zeit: Bei jener Publikation soll Fetzner „Sportrepräsentant“ werden. Was das ist? Sei „noch nicht genau fixiert“, wird aber wohl darauf hinauslaufen, daß er dem Sponsor ein bestimmtes Zeitkontingent einräumt, in dem jener über ihn verfügen kann.

Daß sein neuer Verein derzeit eine etwas unglückliche Rolle in der Bundesliga spielt, bewußt statutenübertretend zwei statt eines erlaubten Ausländers einsetzt und sich daher mit null Pluspunkten wohl demnächst mit dem Abstieg vertraut machen muß? Ändert nichts an seiner Vorfreude, selbst „wenn das eintritt, wovon ich nicht ausgehe“, sagt er. Die schnellste Maus der zweiten Liga? Was dann? „Dann ist es so, daß ich nicht alle Spiele mache.“ Was wieder für einen Profi im hohen Alter ganz gut sein kann.

Denn der Terminplan von Roßkopf/Fetzner ist seit Jahren gedrängt wie fast nur noch jener des Papstes. Was denen gar nicht guttut: Einerseits bereits etwas ausgebrannt, andererseits nach den Verletzungen um Anschluß ringend, ließ man sich beim dienstäglichen Europapokal-Halbfinale in Karlsruhe von Branchenführer Schweden mit 1:4 von der Platte jagen. Und jetzt wird mit unvermindertem Tempo und gerade fünf Tagen Weihnachts-Atempause weitergespielt bis zum erklärten Saisonziel, der EM in Birmingham.

Daß Roßkopf/Fetzner bei diesen Großveranstaltungen zukünftig auch mangels zweisamen Übens nicht mehr konkurrenzfähig sein könnten, befürchtet ersterer und mag zweiterer nicht glauben. „Doppel trainiert haben wir ja nie“, sagt er, und: „Ich glaub', wir haben im Training in den letzten drei Jahren auch kein Spiel mehr gewonnen.“

„Der Speedy“, befindet die DTTB-Cheftrainerin Eva Jeler, und die muß es wissen, „ist groß genug, und weiß, was für ihn gut ist.“ Ihre einzige Frage, die sie aber „immer konsequent“ stellt: „Wie ist's mit dem Training?“ Das ist wichtig, denn der DTTB braucht Steffen Fetzner noch. Dringend. Nach den derzeitigen Vorzeigeathleten kommt nämlich gar nicht viel. Und Speedy braucht Rossi noch. Auch dringend. „Ich werde im Juli heiraten“, sagt Steffen Fetzner, „und Jörg ist mein Trauzeuge.“