Am liebsten, wenn's stinkt

■ Bremer nebenan: Markus Koopmann, der rasende Waller taz-Träger

Ein nächticher Schatten flitzt zur Haustür hoch, der Briefkasten klappert, die taz ist da, aber wieder ging es so schnell, daß der treue Träger unerkannt entkommt. Markus Koopmann ist es, der die taz in unsrere Ecke in Walle verteilt, zusammen mit zwei anderen, die er frisch angelernt hat. 27 Jahre ist er alt, schmal, blond, punkig gekleidet und angehender Erzieher, der seine Ausbildung selbst finanziert. Tagsüber schlägt er sich mit den Kindern aus der Kita herum, nachts mit den Widrigkeiten des Trägerdaseins. Aber die halten sich in Grenzen: „Ich liebe es“, sagt Markus, „nachts allein durch Walle zu fahren, vor allem, wenn es mal wieder nach Fischmehl stinkt, ja wirklich, das erinnert mich an die Zeit, als ich im Hafen gejobbt habe.“

105 AbonnentInnen erwarten die taz von morgen am liebsten schon heute abend. Zweieinhalb Stunden dauert die Tour mit An- und Abfahrt zum taz-Redaktionsgebäude Am Dobben, dann jedenfalls, wenn Markus nicht unterwegs Freunden begegnet und im KAIRO oder HORIZONT ein Päuschen einlegt. Er gehört zu denjenigen Austrägern, die gleich nach nach Auslieferung der druckfrischen Exemplare, so gegen 23 Uhr, losfahren. „Am frühen Morgen, nein, das mache ich nicht mehr. Früher hab ich den Weser Kurier verteilt, von drei bis sechs Uhr. Nach einem halben Jahr war ich so dünnhäutig geworden durch den Schlafmangel. Ich schlief beim Praktikum im Kindergarten halb ein, war ständig erkältet und bekam fürchterlichen Krach mit meiner Freundin. Dagegen ist es mit der taz paradiesisch!“

Viel Geld läßt sich allerdings nicht gerade verdienen mit der nächtlichen Radtour. Knapp 30 Mark gibt es für eine Tour, und wenn die Schlachthof-Zeitung dabei ist, zwei Freikarten. „Klar, den Job kannst du nur machen, wenn dir die taz was bedeutet.“ Wenn Markus müde ist, von der Schule, von seinem Zweitjob als Fahrradkurier, dann fährt er mit Walkman und hört Punk und Metal.

Alle wollen immer nur wissen, ob Walle nachts ein unheimliches Pflaster ist. Markus denkt gewissenhaft nach: “Ach nee. Manchmal hab ich ein bißchen Schiß vor Betrunkenen, aber eigentlich gab es nur einmal was, in der Nacht, als Werder Deutscher Meister wurde. Ein Pulk von Fans hielt mein taz- Rad fest. Sie brüllten ,Rote Ratte', ich brüllte zurück ,Herzog ist schwul' Das stimmt zwar nicht, wär ja auch egal, aber die konnte ich damit natürlich sehr ärgern.“

Auch heute Nacht hat Markus den Wallern wieder die taz gebracht, vorher noch ein wenig mit den anderen Trägern über die Kälte geflucht und wieder bedauert, daß er keine Zeit zum Französischlernen hat. Denn das braucht man in der Multikulti-Trägertruppe. Die Afrikaner nämlich plaudern und lachen immer noch, bevor es losgeht. Das würde er auch gern tun, vor den nachdenklichen zweieinhalb Stunden in Walle.“ Cornelia Kurth