Gruseliges in Penzlin

Daumenschrauben und „doppelte Geigen“: Schau von Hexenfolterinstrumenten in der Alten Burg der mecklenburgischen Kleinstadt  ■ Von Elke Krüger

„War echt lustig und grausam.“ So oder so ähnlich steht's geschrieben im Gästebuch der Alten Burg in Penzlin, einem 2.700-Seelen- Städtchen abseits der Mecklenburgischen Seenplatte im Landkreis Waren.

Unheimlich wird es uns BesucherInnen, als wir die finsteren und steilen Treppen in die Hexenverliese hinabsteigen. Die Bewohner der Burg, die Fledermäuse, seien keine Blutsauger, sondern nur Mückenvertilger, erklärt uns der Museumsleiter und Führer Claus Ludwig. „Derzeit fallen sie gerade in den Winterschlaf, und das ist eben etwas gefährlich!“ Mit einem Augenzwinkern bemerkt Ludwig, gezahlt werde am Ende der Führung. Wer nichts zahle, der bleibe eben unten.

Spätestens als uns Ludwig in den Verliesen auffordert, die Daumenschrauben doch mal eigenhändig auszuprobieren, mit denen vor rund 450 Jahren die weisen Frauen, sprich Hexen, zu „Geständnissen“ gezwungen wurden, spätestens da bleibt uns das Lachen im Hals stecken. Auch der mit Stacheln bespickte Folterstuhl, der so gar nichts mit einem Fernsehsessel von heute gemein hat, läßt die Qualen erahnen, denen die der Hexerei bezichtigten Frauen damals ausgeliefert waren.

Mit dieser originellen Art von „Geschichte zum Anfassen“ zog die 773 Jahre zählende Alte Burg schon vor der Wende jährlich Tausende von Gästen nach Penzlin. Mit anschaulichen Schilderungen wird versucht, das gängige Bild der „bösen“ Hexe zu revidieren. Museumsleiter Ludwig erläutert, die Verfolgung Andersdenkender und Andersaussehender habe schließlich eine jahrhundertealte Tradition und fände – wie jeder zeitungslesende Mensch sicherlich wisse – bis zum heutigen Tag statt.

Verglichen mit dem Arsenal ähnlicher Museen fallen die Hexenfolterinstrumente der Alten Burg allerdings „bescheiden“ aus. Die „doppelte Geige“ ist eines der alten nachgebauten Stücke. In sie wurden „zänkische und schwatzhafte Weiber“, wie es damals hieß, gesteckt, damit sie sich gegenseitig anstarren und mundtot machen. „Die wußten damals noch, wie man den Frauen beikommt“, wagt ein unverbesserlicher Besucher des männlichen Geschlechts seine geballte Dummheit zu offenbaren. Ein anderes Exponat, die sogenannte „Schandmaske“, diente seinen dunnemaligen Geschlechtsgenossen, die „statt zur Predigt in den Krug gingen“. Zur Strafe mußten sie drei Tage mit dem sperrigen Eisenmodell auf dem Kopf durchs Dorf laufen. Die anwesenden Besucherinnen enthalten sich jeglichen Kommentars.

Beim Gang durch dieses Gruselkabinett sind wir ständig zwischen Schaulust und schierem Entsetzen hin- und hergerissen. Diese Erfahrung mußte auch das dreiköpfige Burgteam um Claus Ludwig machen – besonders bei den mittelalterlichen Szenen der Hexenverfolgung, die bis zu 12 mal täglich auf dem alljährlichen Burgfest aufgeführt wurden. Was für das Publikum historisch nachvollziehbar sein sollte, entpuppte sich schnell als die Gaudi für Hunderte von Schaulustigen. „Bald war allerdings die Pietätsgrenze erreicht“, gruselt sich Ludwig nun seinerseits. Die Reaktion des Publikums vergleicht er mit dem wachsenden Konsum von Gewaltvideos.

Deshalb will der engagierte Museumsleiter fürderhin auch auf derartige Vorführungen verzichten. Dennoch bleibt dem Multitalent – Putzen, Führen, Kassieren und Organisieren – noch Zeit zum Konzipieren. Gerade werden mit Mitteln des Städtebauförderungsprogramms die erste Etage und die Hofanlage der kleinen Burg renoviert. Ginge es nach Ludwig, dann entstünde bald etwas Einzigartiges in Europa: Ein Museum zur Hexengeschichte, Mythologie und Aberglauben. „Das Konzept hat bereits Drehbuchreife“, gibt sich der Museumsregisseur überzeugt. Dabei hat er vor allem eine Sammlung von Hexenprozeßakten und die Himmlerschen Hexenkarteien aus dem Nationalsozialismus im Hinterkopf. Falls das Projekt die beantragten Gelder bewilligt bekommt, könnte Penzlin schon Ende nächsten Jahres einige Gäste mehr erwarten.

Denn sonst hat das kleine Städtchen nicht viel zu bieten und kann sich mit beschaulicheren Orten an der Mecklenburgischen Seenplatte kaum messen. Und einzig mit dem Verkauf von Ablaßbriefen nach dem Vorbild der katholischen Briefe im 17. Jahrhundert wird Penzlin seine gebeutelte Kasse sicher nicht zu füllen vermögen: „Ihm dauert aufrichtig, davon geträumet zu haben, das Haus unser Treuhand mit Pulver in die Lüfte zu jagen. Dafür bekommt er Ablaß und zahlet 5 Groschen.

Pencelyn, anno MCMLXLIII.“