Fotos als Kronzeugen

■ Schleppender Prozeßbeginn im Verfahren wegen Hafenstraßen-Soli-Demo

Mit einem Einstellungsantrag der Verteidigung begann gestern vor dem Landgericht der Prozeß gegen sechs Männer, die am 19. Mai 1990 im Verlauf einer Hafenstraßen-Soli-Demo einen Beamten des Bundesgrenzschutzes (BGS) schwer verletzt haben sollen. Schon gestern war abzusehen, daß sich das Verfahren hinziehen wird.

Hintergrund: Am 15. Mai 1990 stürmte eine ganze Armee von Polizei-, BGS- und StaatsschutzbeamtInnen die Häuser an der Hafenstraße, auf der Suche nach einer angeblich dort befindlichen „RAF-Schaltzentrale“. Um gegen diesen „Überfall“ – so die Erklärung der Angeklagten – zu demonstrieren, wurde für den folgenden Sonnabend eine Demo angekündigt, die verboten wurde. Dennoch fanden sich am 19. Mai über 1000 Menschen ein. Im Verlauf des Protestmarsches wurde ein Teil der Leute am Gänsemarkt eingekesselt. „Nur die Gerhofstraße bot sich als Ausweg an“, so die Angeklagten.

Die Staatsanwaltschaft wirft den sechs Männern - darunter der Ex-GAL-Abgeordnete Udo Hergenröder - vor, gemeinsam BGS-Beamte angergiffen und einen BGSler niedergeschlagen, getreten und ihm dabei zwei Zähne ausgeschlagen zu haben. Novum: Die Anklage stützt sich hauptsächlich auf Pressefotos.

Zu Beginn des Prozesses stellte die Verteidigung den Antrag, das Verfahren entweder einzustellen oder an das Amtsgericht zurückzuweisen. Grund: Die Schwere der Straftat rechtfertige keine Verhandlung vor dem Landgericht. Der Antrag wurde abgelehnt. Der erste Tag brachte aber wenig Licht ins Dunkel. Der Zeuge Uwe Z., der sich schützend vor den am Boden liegenden BGSler gestellt hatte, berief sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. Die Zeugin Helga H., konnte sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern. Auf den Fotos, die ihr bei der polizeilichen Vernehmung vorgelegt wurden, „meinte“ sie „jemanden erkannt zu haben“. Heute würde es ihr schwerfallen, noch einen der von ihr beobachteten „drei Männer in schwarzen Lederjacken“ zu identifizieren. Um die vom Springer-Verlag zur Verfügung gestellten Fotos wird es auch am kommenden Verhandlungstag (Freitag) gehen. Peter Behrendt