Ein Herz für Kinder

■ Cornelia Schmalz-Jacobsen, Ausländerbeauftragte, über kleine Schritte im Schneckentempo zur doppelten Staatsbürgerschaft

taz: Eine Million Unterschriften, mehrere Gesetzentwürfe zur doppelten Staatsbürgerschaft und erleichterten Einbürgerung liegen vor. Warum ist bislang kein Gesetz verabschiedet?

Cornelia Schmalz-Jacobsen: Innerhalb der Bundesregierung herrschen darüber unterschiedliche Vorstellungen. Und unser Koalitionspartner lehnt die generelle Hinnahme der Doppelstaatsbürgerschaft ab. Allerdings werden Gespräche darüber geführt, dennoch einen Katalog zu erstellen, in dem präzisiert wird, in welchen Fällen Einbürgerung möglich ist. Das wird auch zwangsläufig auf eine Erweiterung der doppelten Staatsbürgerschaften hinauslaufen.

Wie werden die Erweiterungen aussehen?

Es gibt noch keine präzisen Formulierungen. Bundesinnenminister Kanther ist gebeten worden, Vorschläge vorzulegen. Mir liegen besonders die Erleichterungen für Kinder und Jugendliche, die hier geboren wurden, am Herzen. Da mein Vorschlag abgelehnt wurde, daß die hier geborenen Kinder automatisch Deutsche werden und auch die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern behalten dürfen, muß man unterhalb des Jus soli ansetzen. Ich kann mir vorstellen, daß man diesen Kindern ein Daueraufenthaltsrecht und eine Dauerarbeitsgenehmigung in die Wiege legt.

Die Vorstellung ist verheerend, daß diese Kinder in ihrem eigenen Land mit 16 Jahren eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis beantragen müssen. Was das mit den Gefühlen von jungen Menschen macht, kann man sich mit ein wenig Phantasie klarmachen. Das sollte in einem Vorschlag des Innenministers auch berücksichtigt werden.

Haben Sie Einfluß auf den Vorschlag?

Er muß ihn mit mir besprechen.

Ihre FDP-Fraktion steht prinzipiell hinter Ihren Vorschlägen. Weshalb versucht die FDP nicht, ihre Vorstellungen vehementer gegenüber der Union durchzusetzen?

Aus Koalitionsräson. Da nähert man sich schrittchenweise oder im Schneckentempo. Ich erwarte allerdings, daß meine Partei in der Öffentlichkeit und vor allem in den anstehenden Wahlkämpfen ihre Position deutlich macht und damit offensiv umgeht. Wir werden nicht gewählt für Koalitionsräson, sondern dafür, was wir machen würden, wenn wir die Möglichkeit hätten.

Ließe sich nicht eine Mehrheit für einen entsprechenden Gesetzentwurf finden, fraktionsübergreifend mit der SPD und dem Bündnis 90/Grüne, ähnlich wie beim Paragraphen 218?

Wenn ein Koalitionspartner anfängt, etwas ohne Absprache mit dem Koalitionspartner zu machen, und sich Mehrheiten bei einer anderen Fraktion sucht, bedeutet dies das Ende der Koalition. Anders ist es nur bei Gewissensfragen, wenn man expressis verbis abgesprochen hat, daß jeder nach seiner Überzeugung stimmt. So war es beim Paragraphen 218.

In der Union gibt es ein paar Leute, die die doppelte Staatsbürgerschaft begrüßen.

O ja.

Mit welchen Argumenten könnte man CDU und CSU von einer doppelten Staatsbürgerschaft überzeugen?

Das ist schwer zu sagen. Für diese Legislaturperiode ist es sehr festgefahren, obwohl gerade bei den jüngeren Abgeordneten die Einstellung diesbezüglich deutlich offener geworden ist. Aber das sind nicht die, die das Sagen in den Ausschüssen haben. Interview: Julia Albrecht