Zwölf Töne im Korsett

■ Junges Forum: Steife Britten-Oper „The Turn of the Screw“

Fünf Schienenstränge liegen quer auf der Bühne. Auf den festen Bahnen laufen optisch verfremdete Alltagsobjekte in den glutrot gerahmten Guckkasten hinein und wieder heraus. Im Labyrinth zwischen den Schienen wird gespielt, auch die Darstellerinnen und Darsteller können sich fast nur quer zur Bühne bewegen, ab und an dürfen sie vor und zurück.

The Turn of the Screw heißt die Kammeroper von Benjamin Britten, die am Dienstag im Forum der Hochschule für Musik und Theater Premiere hatte. Der deutsche Titel Die sündigen Engel paßt nicht, auf ihn wurde hier auch verzichtet. Es ist die Geschichte von den Waisenkindern Miles und Flora, deren seelischem Knacks ihre Gouvernante beikommen möchte. Doch die Geister ihrer verstorbenen Vorgängerin und des in Miles verliebten früheren Dieners Quint suchen die Kinder immer wieder heim. Die Gouvernante versucht, die Kinder vor dem Druck der Vergangenheit zu schützen. Aber der Junge quält sich mit Schuldgefühlen, bis er daran zugrunde geht. Schließlich folgt er Quint in den Tod.

Überdreht, wie es der englische Originaltitel verspricht, sind das nach einer Erzählung von Henry James erzählte Libretto und vielleicht gerade noch der für Sopran und Tenor geschriebene Gesang. Die Diplominszenierung von Sibylle Krapp hingegen bleibt in einem engen Korsett, in dem sich keine Spannungen entwickeln können. Vom angekündigten Krimi-Charakter war nichts zu spüren.

Steif und unnahbar wirkten die Charaktere der psychologisch verspielten Zwölftonoper. Das mag dem Gedanken folgen, die Enge gesellschaftlicher Konventionen zu vermitteln. Doch es läuft dem Gefühlschaos der Geschichte zuwider. Gepaart mit der ereignisarmen Handlung und mangelnder Dynamik im Gesang ist die Inszenierung anstrengend und langweilig. Die zwei Geister des Stückes sind ganz ungeisterhaft real, was oft zur Verwirrung führt.

Die Aufführung lebt vom phantasievollen Bühnenbild, von der Musik und der hohen gesanglichen wie schauspielerischen Leistung des Ensembles. Die Partituren der Kinderdarsteller sind schwierig. Umso mehr überzeugen die Leistungen der beiden elfjährigen Matthias Luckey und Nadine Schreier, die den Erwachsenen einen schwereren Stand verschaffen.

Das Potential für eine gelungene Inszenierung war somit vorhanden. Doch was nützt es, wenn alle Darstellerinnen und Darsteller mit angezogener Handbremse spielen müssen? Werner Hinzpeter

Forum der Hochschule für Musik und Theater, heute, 1.,6.,8. und 10.Oktober, je 20 Uhr, und 3. Oktober, 16 Uhr