Terror in Kaschmir

■ 25 Tote an diesem Wochenende / Bevölkerung zwischen den Fronten

Srinagar/Berlin (AFP/taz) – Terror und Angst bestimmen das Leben der Menschen im nordindischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir. Auch an diesem Wochenende starben bei bewaffneten Auseinandersetzungen 25 Menschen. Darunter befand sich nach offiziellen Angaben auch der 36jährige Ahsan Dar, Führer einer Rebellengruppierung, der Hisbul- Mudschaheddin. Anhänger Ahsan Dars, auf den ein Kopfgeld von über 50.000 Mark ausgesetzt war, bestritten jedoch seinen Tod.

In Kaschmir, das seit seiner Aufteilung zwischen Pakistan und Indien im Jahre 1947 Schauplatz dreier Kriege zwischen beiden Ländern gewesen ist, lebt eine mehrheitlich muslimische Bevölkerung. Pakistan fordert die Eingliederung des indischen Teils Kaschmirs in sein Staatsgebiet. Indien beschuldigt den Nachbarn, Rebellengruppen politisch, finanziell und mit Waffen zu unterstützen, um es zu destabilisieren.

Jahrzehntelang hatte sich Delhi geweigert, der kaschmirischen Forderung nach größerer Autonomie nachzukommen. Das Versprechen, ein Referendum durchzuführen, hielt es nie. Jetzt fordern die meisten Kaschmiris nicht nur mehr Eigenständigkeit, sondern Unabhängigkeit. Einen Anschluß an Pakistan hat nur eine kleine Minderheit auf ihre Fahnen geschrieben. Seit Beginn des Aufstandes vor dreieinhalb Jahren – den Indien durch Ausnahmegesetze und die Entsendung von bis heute mehr als 300.000 Soldaten und paramilitärischen Kräften zu unterdrücken sucht – sind nach offiziellen Angaben mehrere tausend Menschen gestorben: 2.800 Rebellen, 580 Militärs und Mitglieder paramilitärischer Verbände und 3.600 Zivilisten. Menschenrechtsorganisationen schätzen die Zahl der Getöteten auf über zehntausend. Die Bevölkerung ist den Übergriffen und grausamsten Racheaktionen von seiten militanter Gruppierungen ebenso wie der indischen „Sicherheits“-kräfte schutzlos ausgesetzt. Islamistische Fundamentalisten bedrohen nun in Srinagar jeden, der sich nicht an ihre Regeln hält: So verboten sie den Auschank von Alkohol und schlossen die Kinos.

Der ehemalige Vorsitzende der Anwaltskammer von Srinagar, Abdoul Quayoum, vor zwei Jahren selbst wegen Teilnahme an einer Demonstration inhaftiert, spricht laut Le Monde von „mindestens 15.000 Kaschmiris, die ohne Verurteilung in den Gefängnissen Indiens verrotten“. Delhi zufolge sind es weniger als 3.000, die wegen „Sedition“ oder Störung der öffentlichen Ordnung in Haft seien.

Auch mit Presseleuten geht man nicht zimperlich um: Anfang August wurde wieder eine Journalistengruppe von indischen Polizisten zusammengeschlagen. Sie wollte über eine Demonstration von Anwälten berichten. Angesichts der wachsenden internationalen Kritik an der indischen Kaschmir-Politik hat Delhi Mitte August angekündigt, daß erstmals internationale Menschenrechtsorganisationen in die Region reisen dürfen –, allerdings mit strengen Auflagen und unter Kontrolle der Zentralregierung. li