Hetze in Weißensee

■ Flugblatt gegen neues Dorf in Pankow vergleicht Rollheimer mit Müll / Stadträtin über den Text empört: Faschistoide Züge

Noch ist kaum ein Rollheimer auf dem zweiten offiziellen Stellplatz in Pankow-Buchholz angekommen, schon werden dort und im angrenzenden Weißensee-Karow Ängste geschürt, Vorurteile verbreitet und Aggressionen geweckt.

Zu „Protesten jeglicher Art“ ruft eine Bürgerinitiative „Sicheres und Sauberes Karow“ in einem in Geschäften ausliegenden Flugblatt auf, zu dem sich aber niemand namentlich bekennt. Claudia Hämmerling (Bündnis 90), Sozialstadträtin von Weißensee, nennt das Schreiben „beschämend und erschreckend“, es trage „eindeutig faschistoide Züge“.

Die ersten eingetroffenen Rollheimer sind jedoch optimistisch, daß sie die Vorurteile durch persönliche Gespräche abbauen können.

„Das Maß ist voll, Karow und Buchholz sind nicht die Abfallgrube Berlins“ ist der Hetz-Zettel überschrieben, in denen Rollheimer mit Müll auf eine Stufe gestellt werden; beides diene „der systematisch durchgeführten Entwertung des Nordostens Berlins“.

Der Standort der geplanten Müllverbrennungsanlage „wurde sorgsam so gewählt, daß die Schadstoffe möglichst schon in Karow niedersinken“, so die Argumentation, die „Wagenburgen aus der linksautonomen Szene“ seien „nun das I-Tüpfelchen“.

Stimmungsmache mit falschen Zahlen

Die Flugblatt-Schreiber beziehen ihr Wissen aus zweiter Hand. So hatte ein Springer-Blatt erst kürzlich eine Liste der Wagenburgen mit angeblichen Kriminalitätsraten und Krankheitsfällen veröffentlicht.

Thomas Brauner, Grundsatzreferent in der Sozialsenatsverwaltung: „Die Zahlen sind völlig falsch.“ Durch eine solche Aufzählung würden alle Bewohner zudem pauschal als Kriminelle dargestellt, so Brauner.

Die Wagenburgen beheimateten „Asozialität und Kriminalität“, heißt es mit Verweis auf den Morgenpost-Artikel im Hetz-Zettel.

Christoph, der vom Rollheimerdorf am Potsdamer Platz nach Pankow gezogen ist, um bei der Entstehung des neuen Stellplatzes mitzuhelfen, nimmt die Bevölkerung trotzdem in Schutz: „Die Wut richtet sich mehr gegen die Politik des Senats als gegen uns.“

Die Bürger seien nie von der Landesregierung oder dem Bezirksamt informiert worden. Trotz anfänglicher Vorbehalte von seiten der Bevölkerung habe er „bisher sehr gute Erfahrungen mit den Leuten gemacht, die wir hier kennengelernt haben“.

Die bislang etwa zwanzig Bewohner auf dem Gelände der ehemaligen Schweinemast würden gerne mit den Bürgern kooperieren, die sich von den Senatsplänen überrollt fühlen. „Wir sind ja nun nicht gerade die, die hinter der Politik des Senats stehen“, sagt Christoph und lacht, Feuerwehr-Mike will „gerne gegen die Müllverbrennungsanlage kämpfen“.

Stadträtin Hämmerling hält zudem den geplanten massenhaften Neubau von Wohnungen für eine Überforderung der Menschen, „die Bevölkerung würde mindestens verzwölffacht. Da erhoffen wir uns Unterstützung von den Rollheimern, die außerdem etwas Farbe in den Stadtteil bringen.“ Christian Arns