Methadon nur „ordnungspolitische Maßnahme“

■ Richtungsstreit in der Bremer Drogenpolitik / Landesdrogenbeauftragter van der Upwich zieht Bilanz wider die „Medizinisierung“

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von dem Mann

Zum Schluß seiner Bremer Laufbahn wollte er noch einmal sein Herz erleichtern und frei sprechen, „diesmal nicht vom Senat abgesegnet“. Guus van der Upwich, gut drei Jahre als Landesdrogenbeauftragter mit einem voluminös klingenden Amtstitel, aber praktisch ohne Macht in der Sozialbehörde ausgestattet, zog am Donnerstag Abend im Presseclub eine ebenso nüchterne wie bittere Bilanz der Bremer Drogenpolitik. „Es geht in die Richtung einer ordungspolitischen Maßnahme“: Mit einer Kombination aus Methadonvergabe und Polizeieinsätzen versuche man die Folgen der Drogensucht zu bekämpfen, statt an ihre Wurzeln zu gehen. „Das ist an sich nicht schlimm, aber wenn man das so haben will, dann soll man es auch sagen.“

700 Methadonsubstituierte gibt es nach van der Upwich derzeit in Bremen. Die Gesundheitsbehörde geht von etwa 600 Substituierten aus bei 2.000 Süchtigen. Was der scheidende Landesdrogenbeauftragte vor allem kritisiert: Bremen hat das bundesweit größte Methadonprogramm, kommt aber mit der sozialpsychologischen Betreuung der Abhängigen nicht nach. Zehn Stellen sind bei verschiedenen Trägern dafür vorgesehen, „eine gute Betreuung liegt bei einem Schlüssel von 1:20“. Die Folge: Substituierte fallen mit ihrem ersten Schluck Polamidon in ein „schwarzes Loch“, aus dem sie niemand herausholt.

Van der Upwich stellte sich deutlich wie selten gegen eine „Medizinisierung“ des Drogenproblems durch Methadon. Spätestens an dieser Stelle seines Abschiedsreferats wurde deutlich, daß in der Bremer Drogenpolitik zwischen den beiden für Drogenprobleme zuständigen Ressorts Jugend/Soziales und Gesundheit heftige Meinungsunterschiede herrschen, die letztlich auch zum Weggang des Landesdrogenbeauftragten geführt haben dürften. „Wir brauchen die Mediziner für eine sozialmedizinische Begleitung“, erklärte van der Upwich. Methadonvergabe sei sinnvoll, um eine bestimmte Gruppe von Abhängigen therapiefähig zu machen. „Methadonsüchtige sind aber noch nicht gesund.“ Van der Upwich verwies in diesem Zusammenhang auf eine Neufassung der Verschreibungsordnung bei Betäubungsmitteln. Dort sei ausformuliert, daß die Vergabe von Methadon als eine mögliche „Behandlung“ von Sucht anerkannt sei. „Die Vergabe von Methadon ist aber keine Behandlung. Wer sich damit begnügt, der kuriert immer nur die Folgen und nicht die Ursachen der Sucht.“

Die Vorwürfe an die Gesundheitspolitiker wollte der zuständige Abteilungsleiter beim Gesundheitssenator, Dr. Gert Schöfer, gestern auf Anfrage nicht stehen lassen. Schöfer hat federführend das Bremer Methadonprogramm ausgearbeitet und ist kommissarischer Nachfolger van der Upwichs. Die Stelle des Landesdrogenbeauftragten soll in einem neu zu bildenden Referat Sucht und Drogen in seiner Abteilung angesiedelt werden. „Wir haben es immer abgelehnt, mit Methadon Folgeprobleme der Sucht zu bekämpfen, und das bleibt auch so.“ Ein einziges Mal habe es eine Schnittstelle zwischen dem Bremer Methadonprogramm und der Ordnungspolitik gegeben: Bei der Auflösung des Drogenstrichs. „Da war aber unsere Absicht nicht, daß Problem Drogenstrich mit Methadon zu lösen, sondern wir wollten den Frauen, die dort der Repression ausgesetzt waren, helfen und haben deshalb das Programm gemacht.“ Schöfer findet es auch nicht legitim, psychosoziale Betreuung allein durch eine Anzahl von Stellen zu quantifizieren. „Wir stecken jährlich rund eine Millionen Mark in die Betreuung. Das kann neben Stellen zum Beispiel auch institutionelle Förderung sein.“

Tatsache bleibt aber, daß die Drogenpolitik in Bremen institutionell immer stärker an das Gesundheitsressort gebunden werden soll. In der Behördenspitze hat es bis vor kurzem heftige Bestrebungen gegeben, die Drogenberatungsstellen aus dem Sozial

ressort zu lösen und ans Hauptgesundheitsamt anzubinden. Die Idee ist erst einmal aufgeschoben: Bis die Regionalisierung der Drogenberatungsstellen abgeschlossen ist.

Eine andere Idee: Die Drogenberatungsstellen könnten privatisiert werden. „Im Prinzip“ sei dagegen nichts einzuwenden, meinte van der Upwich, warnte aber vor einer Privatisierung in Bremen: „Hier gibt es keine breite Palette von Trägern, die das machen könnten.“

Was der Drogenbeauftragte meinte: In Bremen gibt es nur die Bremer Hilfe und die Drogenhilfe, die als private Träger Drogenbaratungsstellen führen könnten. Beide Träger sind aber auch Träger von Therapieeinrichtungen. „Unter solchen Bedingungen könnte es schon sein, daß die Berater eher auf die Betten in ihren Therapieeinrichtungen gucken als auf den Drogenabhängigen.“ mad