Grüne Stadt ist unökologisch

■ Gewoba-Chef plädierte vor der Wohnungswirtschaft für Innenverdichtung

Grün in der Stadt oder Landschaftsverschwendung?Foto: Wolfram Steinberg

Ökologisches Bauen fängt bei der Wärmedämmung, der Regenwassernutzung, Dachbegrünung und der Verwendung von giftarmen Baustoffen an und geht bis zu der Vorstellung, daß die Architektur sich ins Landschaftsbild einfügen soll. Diesen Forderungen stellt die Bauwirtschaft die Frage gegenüber, wie teuer das Bauen werden soll und swie den Kunden die höheren Preise nahegebracht werden sollen. So wurde es natürlich auch bei der Tagung „Ökologisches Bauen und Wohnen“ des Verbandes der Wohnungswirtschaft (vdw) Niedersachsen/Bremen debattiert.

Dem trat ausgerechnet der frühere Staatsrat des Bremer Bauressorts und derzeitige Chef der Gewoba, Eberhard Kulenkampff, schroff entgegen: „Nebensächlich“ sei dies alles für die Ökologie im Bauwesen, wenn man es mit der Problematik des Flächenverbrauchs vergleiche. Die Ergebnisse der Nachkriegs-Wohnbebauung, prototypisch die Bebauung der Vahr, stehe in „totalem Widerspruch“ zu ökologischen Gesichtspunkten. Was Kulenkampff stört: Zuviel Grün zwischen den Hausblöcken.

Allein in den acht Jahren 1981-1989 sei die Siedlungs- und Verkehrsfläche im alten Bundesgebiet von 11,1 auf 12,2 Prozent gestiegen. Man kann sich ausrechnen, wie lange die Gesellschaft so ihre Städte ausbauen kann. „Stadtbrei“ sei entstanden, sagt Kulenkampff dazu, Landschaftsverschwendung. Bis zum Jahre 2000 werde in Niedersachsen und Bremen ein Gebiet von der Größe Bremens — 100 Quadratkilometer — zugebaut, wenn das so weiter betrieben werde wie bisher.

Kulenkampff bezieht diese Kritik übrigens genauso auf Gewerbeflächen. In Rablinghausen hat er das Negativ-Beispiel eines Betriebes gefunden, der auf einem Hektar gerade 5 Menschen beschäftigt. Die Kommunen würden die Flächenverschwendung durch subventionierte Grundstückspreise geradezu ermutigen. „Solange noch neue Flächen erschlossen werden müssen, weil wir nicht wagen, die vorhandene Bebauung zu verdichten, verfehten wir die wirkungsvollste Methode, ökologisch zu handeln“, formulierte Kulenkampff.

Nicht die Planungs-Ideen der Bauämter dürften die Stadtgestaltung bestimmen oder der Eigennutz und der „Stachelschweinreflex“ derer, die den großen grünen Abstand gegen den Nachbarn haben wollten. Komplexe ökologische Kriterien seien erforderlich wie Kaltluftschneisen, Bodennebel, andererseits Überlegungen, wie Verkehr vermieden werden kann: Je mehr „Stadtbrei“, desto mehr Verkehrsflächen sind zwingend.

Kulenkampff brachte noch ein anderes Argument für seine Forderung der Innenverdichtung: Bauland sei so teuer geworden, daß die Erschließungskosten die Gemeinden erheblich belasten müßten, von den Kosten für Schulen, Kitas und Bürgerhäuser ganz abgesehen. „In welchem Gemeindehaushalt stehen wirklich die Gelder dafür“ zum Zeitpunkt des Wohnungsbaus, fragte Kulenkampf und verriet gleich die Antwort: „Ich kenne keinen.“ Auf deutsch. Auch in Bremen nicht. Die Erschließung neuer Flächen, so Kulenkampffs Fazit, ergebe „in der ökologischen wie in der finanziellen Bilanz nur Miese“. K.W.