Kudella: Gehorchen müssen die lernen

■ Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Ministerin Merkel zu „Jugend und Gewalt“

Schwer schnaufen mußte gestern Peter Kudella, Fraktionschef der CDU. Zwei Jugendliche hatten zu Beginn der fünfstündigen Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung „Jugend und Gewalt“ geschildert, wie sie völlig grundlos von anderen Jugendlichen zusammengeschlagen worden seien. „Ich habe keine Patentantworten“, gestand Kudella. Noch schreckten die vielen Autonomen im Innenstadtbereich ein Eindringen rechter Cliquen dort ab, aber das Verhältnis werde sicher kippen. Kudella seufzte tief. Eins aber steht für ihn fest: Die „benachteiligten“ Jugendlichen müßten an ein neues Denken herangeführt werden. Deshalb hält er akzeptierende Jugendarbeit, zum Beispiel Fanprojekte, auch nur für eine Art Beschäftigungstherapie — die geistige Auseinandersetzung fehle. Möglicherweise, und hier wand sich der Mann ein bißchen, möglicherweise müßten Jugendliche halt doch wieder sowas wie „Gehorchenkönnen“ lernen.

Doch seine Parteifreundin, die Bonner Ministerin für Jugend und Frauen, Angela Merkel, widersprach dem Ratlosen in so ziemlich allen Punkten: Wer von denen, die sich über Jugendliche aufregen, gehe denn schon mal in einen Jugendclub zum Biertrinken? Man solle doch nicht immer auf die Jugendlichen starren, sondern sich stattdessen an der eigenen Nase fassen. Wie denn soll ein Jugendlicher die Gesetze achten, wenn die Erwachsenen alles dran setzten, zum das Finanzamt zu betrügen? Einige grinsten.

Und da sie schon beim Aufräumen war, räumte sie auch mit dem Vorurteil auf, rechte gewalttätige Jugendliche wären alle arbeitslos und kämen aus kaputten Familien. Eine Analyse von polizeilichen Ermittlungsakten habe gezeigt, daß nur 18 Prozent der Tatverdächtigen arbeitslos seien, noch weniger kämen aus zerbrochenen Familien und eine Minderheit nur aus „asozialen Randgruppen“.

Merkel warb um ein differenziertes Hingucken — enttäuscht ist sie deshalb auch über den Vorstoß einer Gruppe von CDU/ CSU-Abgeordneten für eine Verschärfung des Jugendstrafrechts. Unter Umständen sei es doch für einen Jugendlichen eine größere Strafe, ein Jahr lang einen Bewährungshelfer neben sich zu haben als eine hohe Geldstrafe zu zahlen.

Und daß akzeptierende Jugendarbeit inhaltsleer sei — nun ja. Sie jedenfalls hält diese Projekte für „außerordentlich wichtig“ und trommelt dafür um Verständnis — zum Beispiel bei der evangelischen und katholischen Jugend. Ihr Ministerium hat ja auch die Millionen lockergemacht für das Projekt gegen „Aggression und Gewalt“ in den neuen Bundesländern — das allerdings auf genau drei Jahre befristet ist.

Doch dem anschließenden Referat von Stephan Voß über akzeptierenden Jugendarbeit hörte dann nur noch die Hälfte zu. Die anderen hatten mit dem Publikumsmagneten Merkel den Saal in der Pause verlassen. Akzeptieren, so stellte Voß klar, heiße nicht, die Jungs nur als Opfer zu sehen oder ihre Handlungen per se gutzuheißen. Akzeptieren heiße vielmehr, die Jugendlichen in ihrer Brutalität und ihrem Charme, in ihrer Verhinderung und ihren Entwicklungsmöglichkeiten zu sehen. Während einige Schüler eifrig mitschrieben, schloß so mancher Erwachsene ermattet die Augen. cis