Froschkönige erobern das Schloß

■ In einer Woche öffnet der „Kulturpalast“ im Billstedter Wasserwerk seine Schleusen

Das alte Wasserwerk in Billstedt ist wieder schmuck geworden. Frischer Putz strahlt am Gebäude, nur eine Wand ist mit Graffitis beschmiert. Mit Sprüchen wie „Eine linke Aktion und es brennt“ glaubten irgendwelche lokalen rechten Chaoten, ihre „1. Warnung“ abgeben zu müssen. Das Haus ist die neue Heimat des Kulturpalastes Billstedt, der dort am 4. September offiziell seine Türen öffnen wird.

Die rechte Bedrohung ist in dieser Ecke Hamburgs zwar allgegenwärtig, der Trägerverein des Hauses hat aber mit einer lange zurückliegenden Hausbesetzung eher eine „linke“ Vergangenheit, als einen explizit politisch linken Anspruch. Folglich empfindet man die „Warnung“ nicht als unmittelbar gefährlich. Der Kulturpalast will sich mit seinem Programm zwar nicht aus politischen Fragen raushalten, ist aber grundsätzlich als „Tante-Emma-Laden für Kultur“ gedacht, wie Dörte Inselmann, Susanne Jung und Astrid Lange, die drei Ganztagsmitarbeiterinnen des Hauses, erzählen.

Das heißt, daß es generationenübergreifende Veranstaltungen vom Standardtanz bis zum Punk-Konzert geben soll, Möglichkeiten für Gruppenarbeit und eine regelmäßig geöffnete Kneipe mit dem bescheidenen Namen Größenwahn. Zumindest ein Teil der kulturellen Armut Billstedts kann so aufgefangen werden. Bisher gibt es nämlich nach Auskunft der Mitarbeiterinnen im ganzen Ortsteil außer Spielhallen und Videotheken keine Freizeitangebote, keine Szenekneipe, geschweige denn ein Kino.

Der Weg von der Idee zum Kulturpalast im Wasserwerk war lang. Schon vor 13 Jahren hatte sich eine Initiative für ein Stadtteilkulturzentrum Billstedt gegründet. 1986 bezog sie erstmals eigene Räume am Schiffbeker Weg. Wegen der opulenten Größe von 70 Quadratmetern nannte sie den Ort Kulturpalast.

Das leerstehende Wasserwerk entdeckte die Initiative 1987. In alberne Kostüme gezwängt startete sie daraufhin ihre Froschaktion, um an verschiedensten Orten ihre Forderung nach diesem Gebäude zu quaken. Nach langem hin und her gab die Kulturbehörde schließlich zwei Millionen Mark für den Umbau.

Die insgesamt 600 Quadratmeter beherbergen neben Kneipe und einem großen Veranstaltungsraum unter anderem eine Töpferwerkstatt, ein Fotolabor und einen Kinderraum. Ein unterirdischer Wasserspeicher ist für Feten und - wenn ein Neubau im geplanten Lärmschutzwall nicht zu finanzieren ist - für Übungsräume vorgesehen. Derzeit allerdings entspricht der entleerte Keller noch zu sehr seiner früheren Bestimmung: Er ist extrem feucht.

Zur Eröffnung am 4. September wird es eine Revue geben, zu der sich die Mitarbeiter wohl oder übel noch einmal in ihre Froschkostüme zwängen müssen, schon um zu symbolisieren, das die Froschkönige nun Einlaß in den Palast gefunden haben. Gänzlich unbeschwert feiern können die Froschkönige nicht. 1994 droht ihnen statt dem erlösenden Wurf gegen die Wand die Schließung. Die Zuwendungen der Kulturbehörde werden um 2 Prozent auf 402.000 Mark gekürzt. Und das, obwohl dann ein ganzes Jahr mit Programm gefüllt wird.

Mehr Arbeit für weniger Geld in einem kulturell schwachen Gebiet? „Es wäre aberwitzig, wenn sie zumachen müßten“, sagt Hans-Heinrich Bethge von der Kulturbehörde. Die Haushaltssituation sei bekanntermaßen eng, große Reichtümer seien nicht zu vergeben. Er sei aber zuversichtlich, daß „für die laufenden Kosten eine Lösung gefunden werden kann“.

Alles andere wäre ein herber Rückschlag für Billstedt. Auch für die rechten Sprayer. Nur würden die es wahrscheinlich nicht bemerken.

Werner Hinzpeter