Schwangere vor Abschiebung gerettet

Trotz eindeutiger Regelung sollte Bulgarin die Bundesrepublik verlassen / Nur Eingreifen einer Sozialarbeiterin verhindert Abschiebung / Ausländerbehörde hatte Attest ignoriert  ■ Von Martin Böttcher

Buchstäblich in letzter Minute ist die rechtswidrige Abschiebung einer Schwangeren auf dem Flughafen Schönefeld gestoppt worden. Dabei handelte es sich um eine Bulgarin türkischer Herkunft, die vor zwei Wochen mit ihrem dreijährigen Kind nach Sofia abgeschoben werden sollte. Erst vor drei Monaten hatte das Ausländeramt den geltenden Abschiebestopp für Schwangere aufgehoben, dann aber diese Anweisung wenige Tage später wieder rückgängig gemacht. Dennoch ist jetzt wieder versucht worden, eine Schwangere trotz Attests abzuschieben.

Nach Angaben von Renate Wilson, Sozialarbeiterin bei der Zentralen Beratungsstelle für Flüchtlingsarbeit, hat sich der Vorfall folgendermaßen abgespielt: Am 23.Juli sollte sich die 24jährige Fatma M. zusammen mit ihrem Kind bei der Polizei melden. Fatma M. ist damals nach zwei Fehlgeburten im zweiten Monat schwanger gewesen und hat ein eindeutiges Attest ihres Arztes dabeigehabt. Darin ist ihr bescheinigt worden, daß sie aus medizinischen Gründen, wegen der Schwangerschaft, nicht fliegen dürfe. Als Fatma M. nicht von der Polizei nach Hause gekommen ist, hat der Ehemann, der sich im Asylverfahren befindet, Renate Wilson verständigt. Renate Wilson hat dann vergeblich versucht, mit der Ausländerbehörde in Verbindung zu treten. Erst nach mehrmaligen Anrufen beim Bundesgrenzschutz (BGS) und dem Sozialdienst in Schönefeld, sagt Renate Wilson, habe schließlich der Flughafenarzt entschieden, daß Fatma M. nicht fliegen dürfe – das Attest aber sei da immer noch nicht aufgetaucht.

Als Renate Wilson gemeinsam mit Fatma M.s Mann nach Schönefeld gefahren sei, um die Frau abzuholen, sei ihr dort von einem Vertreter des BGS Überraschendes mitgeteilt worden: Die Ausländerbehörde habe angerufen und ihren Fehler zugegeben. Das Attest sei gefunden worden.

Laut Aussage von Renate Wilson habe man Fatma M. jedoch trotzdem nicht mitnehmen können, da die 24jährige inzwischen wieder zurück zur Polizei gebracht worden sei. Dort endlich hätten sie Fatma M. gefunden. „Die Frau saß mit ihrem Kind da“, sagt Renate Wilson, „und war völlig fertig.“ Fatma M. habe dann berichtet, es sei ihr nicht erlaubt worden, auf die Toilette zu gehen, sie habe sich zweimal übergeben müssen. Außerdem sei ihr gesagt worden, sie müsse ins Gefängnis. Noch am selben Tag, so Renate Wilson, sei Fatma M. ins Krankenhaus Neukölln eingeliefert worden. Inzwischen ist sie aber wieder bei ihrem Mann.

Die zuständige Senatsverwaltung für Inneres war trotz zahlreicher Nachfragen bisher nicht in der Lage, eine Stellungnahme zu dem Fall abzugeben. Renate Wilson ist angesichts solcher Rettungsaktionen, die seit Einführung des neuen Asylverfahrensgesetzes immer häufiger vorkämen, ziemlich frustriert: „Auf Inhalte kommt es bei unserer Arbeit nicht mehr an. Wir wissen auch nicht mehr, was wir den Leuten raten sollen.“ Ursprünglich habe die Zentrale Beratungsstelle für Flüchtlingsarbeit längerfristig geplant und organisiert. Inzwischen beschränke sich die Arbeit nur noch auf akute Rettungsversuche. Bevor man die Leute sprechen und sie beraten könne, so Renate Wilson, sei die Abschiebung schon im Gange: „Die ganze Arbeit ist so hoffnungslos.“