Schwere Bomben- Angriffe auf Sidon

■ Hunderttausende fliehen aus der libanesischen Hafenstadt nach Norden

Tel Aviv/Beirut (dpa) – Trotz weltweiter Proteste haben israelische Truppen am Donnerstag ihre Angriffe im Libanon erneut ausgeweitet. Die Hafenstadt Sidon wurde schwer bombardiert. In inoffiziellen Berichten aus dem Libanon war von 102 Toten seit Beginn der Angriffe am letzten Sonntag die Rede. Verletzt worden seien 510 Menschen.

Ziel heftiger Angriffe war auch die Stadt Nabatijeh. Die Zahl der Luftangriffe auf deren Wohnviertel wurde mit 50 pro Tag angegeben. Das Dorf Kafar Milki in Süd-Libanon wurde nach diesen Angaben von der Landkarte getilgt, da seine 35 Häuser sämtlich dem Erdboden gleichgemacht worden seien. Nabatijeh und die umliegenden Dörfer gelten als Hochburgen der Hisbollah-Untergrundkämpfer.

Nach Angaben von UN-Beobachtern waren bereits gestern morgen über eine halbe Million Menschen aus dem Süden des Landes geflohen. Damit hätten zwei Drittel der dort lebenden Bewohner ihre Häuser verlassen. Kampfflugzeuge, Schnellboote und schwere Artillerie setzten die Offensive fort, die nach Darstellung der israelischen Regierung die Vertreibung der Menschen aus Südlibanon zum Ziel hat.

Die Zahl der Todesopfer erhöhte sich auf insgesamt 92, zumeist Zivilpersonen. Allein am Donnerstag vormittag wurden mindestens 21 Menschen getötet. Im Norden Israels kamen nach Militärangaben zwei Menschen beim Beschuß mit Katjuscha-Raketen ums Leben. Insgesamt feuerten die antiisraelischen Milizen in Libanon seit Sonntag 210 dieser Geschosse auf die israelisch besetzte Sicherheitszone und den Norden Israels ab.

Inzwischen verteilen humanitäre Organisationen in Beirut, in den Bergen Zentrallibanons und im Nordosten des Landes Brot, Wasser, Konserven, Decken und anderes an die geflüchteten Menschen. Tausende von Flüchtlingen verbrachten die Nacht auf den Straßen von Beirut, in Moscheen oder in Schulen. Die französische Regierung hat mittlerweile ihre Hilfe angekündigt.

Ohne Israel als Angreifer zu nennen, unterstrich der UN-Sicherheitsrat am Mittwoch abend, daß er „die volle Souveränität, die Unabhängigkeit, die territoriale Integrität und die nationale Einheit Libanons“ innerhalb der international anerkannten Grenzen vorbehaltlos unterstütze. Alle Staaten wurden aufgefordert, gegenüber einem UNO-Mitglied keine Gewalt anzudrohen oder anzuwenden. Das Mandat der UNO-Blauhelme in Libanon (Unifil) wurde um sechs Monate verlängert.

UNO-Generalsekretär Butros Ghali äußerte sich „alarmiert“ über Pläne Israels, eine neue Flüchtlingswelle einzuleiten, um Beiruts Vorgehen gegen die Hisbollah zu erzwingen. Die Fortsetzung der Operation könne den Friedensprozeß weiter komplizieren. Der Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat, warnte in einer Botschaft an die USA vor der „großen Gefahr“ und den Folgen für die Friedensgespräche. Die britische Regierung hat gestern Israel zur Beendigung der Angriffe auf den Süd-Libanon aufgefordet. Die Vertreibung der Zivilbevölkerung sei nicht zu rechtfertigen. Seite 8, Kommentar Seite 10