Für Mädchen ohne Zimmer

■ Im ersten Frauenhotel Europas kommen Männer nur bis zur Rezeption

Der Pfad zum Frauenhimmel ist eng und steil. Das steht auch im Gästebuch: „Der Eingang war zuerst ein Schock, doch schön war's dann im vierten Stock.“ Im ersten Frauenhotel Europas nämlich, dem „artemisia“ in Wilmersdorf, das vor kurzem vier Jahre alt wurde. Im hellen Foyer, dessen Mobiliar in Pastellfarben leuchtet, bedauert ein altes Kinoplakat „Mädchen ohne Zimmer“. Die Rezeption ist gleichzeitig Schlagbaum für männliche Besucher. „Also, ein Mann kann gerne die Koffer herauftragen, aber weiter kommt er nicht“, sagt Gabriele Bernhard, eine der drei Geschäftsführerinnen. Ausgenommen sind Jungen unter 14, die im Zimmer ihrer Mutter übernachten dürfen.

Die Gründungsidee kam den drei Frauen während ihrer gemeinsamen Arbeit bei einer Frauenreisen-Agentur. „Immer wieder wurden wir nach einem Frauenhotel gefragt“, sagt Gabriele Bernhard. „Schließlich haben es alleinreisende Frauen in normalen Hotels tatsächlich schwerer: Sie bekommen nie die besten Zimmer, und sie mögen nicht allein an der Bar sitzen.“ Im „artemisia“ ist die Bar mit einem kleinen Konferenzraum verbunden. Durch den Korridor geht es zu den acht einheitlich in rosa und zartgrün dekorierten Zimmern mit insgesamt 14 Betten. Im Foyer und in den Gemeinschaftsräumen sind Bilder Berliner Künstlerinnen aufgehängt, die Ausstellungen wechseln vierteljährlich. Alle Zimmer heißen nach berühmten Frauen der Berliner Geschichte. In der „Erika-Mann- Suite“ kann man auf einem prunkvollen französischen Doppelbett herumlümmeln oder in der Badewanne plantschen, die übrigen Zimmer haben einzelne Betten und Bäder mit Dusche.

Einen Teil ihrer halben Million Startschulden konnten die drei Geschäftsführerinnen – außer Gabriele Bernhard die Schweizerin Renata Bühler und die Italienerin Manuela Polidori – inzwischen zurückzahlen. Von der derzeitigen Krise der Berliner Hotellerie, verursacht durch den Rückgang der Touristenzahlen, blieb „artemisia“ bislang verschont: Im letzten Jahr war das Hotel zu 90 Prozent belegt. Vier Fünftel der Gäste sind Geschäftsfrauen. Außerdem kommen Touristinnen aus Westeuropa, den USA, Kanada und Japan. Die Reisenden sind Frauen aller Altersstufen – eine 95jährige ist gerade abgereist.

Natürlich enthält das Bücherbord im Frühstückszimmer fast ausschließlich Literatur von Frauen. Neben Irmgard Keun, Irmtraud Morgner und Margaret Atwood findet sich dort ein historischer Roman über das Leben der italienischen Malerin Artemisia Gentileschi, der Namenspatronin des Hotels. „Sie hat tatkräftige Frauen gemalt“, erklärt Frau Bernhard. „Außerdem steckt die Göttin Artemis in dem Namen, und jeder fragt, was er bedeutet.“

Das Frühstücksbuffet machen die drei Hotelieren selbst, wie auch sonst praktisch alles außer der Zimmerreinigung. Auf Wunsch bereiten sie auch abends ein Buffet. „Ich habe mir hier schon mehrere Parties organisieren lassen“, sagt Martina Gregory, Mitarbeiterin eines Frauenhauses, das gerade im Konferenzraum tagt. „Für mich ist dieses Hotel ideal – mit Männern habe ich sowieso fast nichts zu tun.“ Miriam Hoffmeyer

„artemisia“, Brandenburgische Str. 18, Tel. 878905. Preisliste: Einzelzimmer 149 bis 220 Mark, Doppelzimmer 169 bis 250 Mark, Konferenzraum 180 Mark pro Tag