Die rechte Hand der irischen Präsidentin Von Ralf Sotscheck

Wider Erwarten ist der irischen Präsidentin Mary Robinson die rechte Hand bisher noch nicht abgefault. Dabei hatte ihr die britische Regierung genau das prophezeit – und mit Sicherheit auch gewünscht. Seit zehn Tagen herrscht miserable Stimmung zwischen London und Dublin. Das Drama begann mit Robinsons Ankündigung, der IRA- Hochburg Ballymurphy im nordirischen West-Belfast einen Besuch abzustatten. Der britische Premierminister John Major wurde umgehend bei seinem irischen Amtskollegen Albert Reynolds vorstellig, um ihn zu überreden, der Präsidentin die Reise zu verbieten. Das wäre durchaus möglich gewesen: Während irischen Frauen im vergangenen November per Volksabstimmung die Reisefreiheit zugesichert wurde, gilt das für die Präsidentin nicht. Sie muß sich bei der Regierung eine Erlaubnis holen.

Majors Sorge galt dem Umstand, daß Robinson bei ihrem Besuch unweigerlich mit Gerry Adams zusammentreffen würde. Hat Adams eine ansteckende Krankheit? Nein, das nicht – obwohl die britischen und irischen Regierungen das West-Belfaster Ghetto schon immer wie eine Lepra-Kolonie behandelt haben. Aber Adams ist Präsident von Sinn-Fein, dem politischen Flügel der Irisch-Republikanischen Armee. Außerdem ist er Stadtrat und war bis vor einem Jahr Unterhaus-Abgeordneter. Bei Interviews im britischen und irischen Radio und Fernsehen muß Adams' Stimme stets von einem Schauspieler synchronisiert werden, weil die Originalstimme junge Menschen höchstwahrscheinlich schnurstracks in den Terrorismus treiben würde.

Reynolds, Hundefutter-Fabrikant und ehemaliger Country- Sänger, begnügte sich jedoch damit, die Präsidentin vor dem schlechten Umgang zu warnen. Und er hatte noch einen guten Rat für Mary Robinson: Sie könnte ja ständig mit einem vollen Weinglas in einer Hand und einem belegten Brötchen in der anderen Hand durch West-Belfast laufen. Das hätte zwar idiotisch ausgesehen, aber wenigstens hätte Adams sie nicht antatschen können. Aber es kam alles anders: Der symbolträchtige Handshake war kurz und schmerzlos. „Sie leisten großartige Arbeit“, sagte Adams zu Robinson. Die irische Regierung beeilte sich zu versichern, daß die Präsidentin das Kompliment keineswegs zurückgegeben habe. Sie sei nämlich keine geheime Sympathisantin des bewaffneten Kampfes. Genau diesen Eindruck versuchte die Londoner Regierung jedoch mit einer Schmutzkampagne zu erwecken. Die Anschuldigungen gipfelten in dem Vorwurf, Robinson habe sich geweigert, im Schloß Hillsborough, der traditionellen Absteige der königlichen Familie, zu übernachten.

Von dem Händeschütteln gibt es kein einziges Foto. Reynolds hatte die Präsidentin bekniet, sich von den Fotografen bloß nicht in flagranti erwischen zu lassen. Robinson hielt sich daran. Aber möglicherweise war es ja gar nicht Gerry Adams, den sie getroffen hatte. Vielleicht war er von einem Schauspieler vertreten worden. Und nur deshalb ist ihr die Hand nicht abgefault. Oder hatte sie etwa Reynolds Rat befolgt und sich ein Kondom über die rechte Hand gestreift?